18.06.2014
Carnuntum: Mit Bodenradar eines der frühesten römischen Militärlager entdeckt
Die ZAMG und LBI ArchPro erforschen die Gegend von Carnuntum (NÖ) mit Messungen des Magnetfelds und mit Bodenradar, um unterirdische Strukturen zu analysieren. Am West-Ausgang von Carnuntum wurden in tieferen Erdschichten die Strukturen römischer Zeltlager entdeckt.
Weitere aktuelle archäologische Projekte der ZAMG sind ein bisher unerforschtes Gewerbe- und Handelsviertel in Ephesos (Türkei) und die größte bronzezeitliche Siedlung Zyperns.
Carnuntum in Niederösterreich ist die größte archäologische Landschaft Mitteleuropas. Beinahe die gesamte römische Stadt, die einst mehr als zehn Quadratkilometer bedeckte, ist bis heute unter den Feldern und Weingärten erhalten. Die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) und das Ludwig Boltzmann Institut für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie (LBI ArchPro) erkunden gemeinsam mit internationalen Partnern seit 2012 im Auftrag des Landes Niederösterreich den Untergrund von Carnuntum. Mit den modernsten zerstörungsfreien Prospektionsmethoden wird aus der Luft und am Boden an der Auffindung und Sichtbarmachung des im Boden verborgenen archäologischen Erbes gearbeitet.
Zerstörungsfreie Archäologie
Nach der Entdeckung der weltweit einzigartigen Gladiatorenschule hat das internationale Forscherteam bereits über sechs Quadratkilometer mit den motorisierten Multi-Sensor-Systemen zur Messung des Erdmagnetfeldes und mit hochauflösenden Bodenradarsystemen durchleuchtet. Das Bodenradar ermöglicht, die Überreste der römischen Stadt durch den Einsatz elektromagnetischer Wellen dreidimensional am Computerbildschirm abzubilden. Die reale archäologische Landschaft wird in eine virtuelle Landschaft umgewandelt, deren Untergrund von den Spezialisten mithilfe Software-basierter Werkzeuge erforscht werden kann.
Eines der frühesten römischen Militärlager entdeckt
Am West-Ausgang der römischen Stadt hat sich demnach entlang der römischen Straße nach Vindobona (Wien) ein ausgedehntes Straßendorf entwickelt. Unter den Resten dieses Dorfes - in den tieferen Datenschichten verborgen - entdeckten die Forscher von ZAMG und LBI ArchPro einen typischen Befestigungsgraben eines direkt an der Donau gelegenen römischen Zeltlagers im Ausmaß von rund 57.600 Quadratmetern (entspricht rund sechs Fußballfeldern). Aufgrund der späteren Überbauung gehen die Wissenschaftler davon aus, dass es sich bei diesem Zeltlager um eines der frühesten Militärlager im Rahmen der römischen Okkupation des Raumes von Carnuntum handeln dürfte.
Weitere Zeltlager außerhalb der Stadt
Außerhalb des Stadtgebiets wurden zahlreiche weitere Zeltlager entdeckt, deren zeitliche Einordnung schwierig ist. Aufgrund von historischen Aufzeichnungen ist bekannt, dass bedingt durch die strategische Bedeutung von Carnuntum an der nördlichen Reichsgrenze immer wieder große Truppenkontingente zusammengezogen wurden. In der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. organisierte Kaiser Marcus Aurelius von Carnuntum aus Feldzüge gegen die Markomannen. Wie viele weitere Militärlager im direkten Umfeld der Stadt Carnuntum errichtet wurden, werden die weiteren Messarbeiten dieses Forschungsprojektes zeigen, die nach der Ernte fortgesetzt werden und bis Jahresende 2014 abgeschlossen sein sollen.
ZAMG ArcheoProspections: Moderne Geophysik im Dienste der Archäologie
Moderne geophysikalische Methoden helfen, vom Menschen verursachte Strukturen im Boden sichtbar zu machen. So können archäologische Stätten kartiert und analysiert werden, im Boden verborgene Altlasten, Rohre und Leitungen gefunden werden und Bauwerke und Tunnel zerstörungsfrei untersucht werden. Ein Team der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) hat sich unter dem Titel „Archeo Prospections" auf diesen Bereich spezialisiert und ist unter anderem im Gebiet der hochauflösenden archäologischen Prospektion international tätig. Mit Hilfe detaillierter Messungen des Magnetfeldes, des elektrischen Bodenwiderstandes und durch Bodenradaruntersuchungen werden schnell und ohne Bodeneingriffe Kartenbilder erzeugt. Neben Carnuntum laufen größere Projekte der ZAMG derzeit auch in Ephesos (Türkei) und in Hala Sultan Tekke (Zypern).
Ephesos: bisher unerforschte Gewerbe- und Handelsviertel
In Ephesos (Türkei) laufen Messungen in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Archäologischen Institut (ÖAI). Hier werden derzeit nördlich des römischen Hafenkanals bislang nahezu unerforschte Bereiche des Stadtgebietes untersucht. Von diesem Teil der Stadt sind aus Luftbildern ausgedehnte und dicht bebaute Stadtviertel bekannt. Sind in den vergangenen Messeinsätzen der ZAMG in Ephesos unmittelbar entlang des römischen Hafenkanals reiche Gräber bekannt geworden, die durch Grabungen auch bereits teilweise erforscht wurden, so ist in den etwas abgelegeneren Gebieten mit Gewerbe- und Handelsvierteln zu rechnen, die wesentlich zur Blüte der römischen Provinzhauptstadt beigetragen haben.
Hala Sultan Tekke: größte bronzezeitliche Siedlung Zyperns
Vor kurzem beendet wurden von ZAMG Archeo Prospections die Messungen in Hala Sultan Tekke auf Zypern. Hier untersuchten die Forscherinnen und Forscher im Rahmen eines internationalen Projektes der Universität Göteborg die größte bronzezeitliche Siedlung Zyperns. Dabei wurden mehrere bislang unbekannte Gebäudekomplexe und potentielle Gräber aus der Blütezeit des Kupferhandels entdeckt.
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Fotos in Druckauflösung ->hier
Geophysik im Dienste der Archäologie: Traktor mit Bodenradar bei einer Messfahrt in Carnuntum (NÖ). Quelle ZAMG.
Geophysik im Dienste der Archäologie: Messung der Geomagnetik in Hala Sultan Tekke auf Zypern beim Untersuchen der größten bronzezeitlichen Siedlung Zyperns. Quelle ZAMG.
Geophysik im Dienste der Archäologie: Magnetfeld-Messung im Gebiet von Ephesos in der Türkei. Quelle Erol Bayirli.
Fotos in Druckauflösung ->hier
Weitere Fotos auf http://carnuntum.7reasons.at
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Web-Links
ZAMG Angewandte Geophysik: www.zamg.ac.at/cms/de/geophysik/angewandte-geophysik
ZAMG allgemein: www.zamg.at und www.facebook.com/zamg.at
LBI ArchPro: http://archpro.lbg.ac.at