03.09.2021
Wetterlexikon | Inneralpine Trockentäler: Gebirgsketten als Regenschutz
Im ZAMG Wetterlexikon wird das Wetter in Ihrer Region von Meteorologinnen und Meteorologen der ZAMG erklärt.
Inneralpine Trockentäler: Gebirgsketten als Regenschutz
Autor: Mag. Gerhard Hohenwarter, ZAMG Klagenfurt
Die Alpen werden oft mit reichlich Niederschlag in Verbindung gebracht. „Im Winter liegt viel Schnee und im Sommer sorgen die Wärmegewitter über den Bergen für ausreichend Niederschlag.“ So oder so ähnlich mag die oder der eine oder andere denken. Aber nicht überall in den Alpen fällt viel Niederschlag und es gibt sogar recht „trockene“ Regionen. Warum es diese Regionen gibt und wo sie sich befinden, darauf soll in diesem Beitrag eingegangen werden.
Gebirgsketten als Regenschutz
Die Alpen stellen oftmals eine Wetterscheide dar. Auf der dem Wind zugewandten Seite (Luv) stauen sich Wolken und Feuchtigkeit. Niederschläge in Form von Regen und Schneefall sind die Folge. An der dem Wind abgewandten Seite (Lee) sinkt die Luft hingegen ab, Wolken lösen sich auf und es bleibt trocken. Entlang eines einzelnen Höhenrückens ist die Verteilung von Luv und Lee ganz klar.
Nun bestehen die Alpen aber aus zahlreichen Gebirgszügen, welche von teils tiefen Tälern durchschnitten bzw. getrennt werden. Je breiter der Alpenbogen wird, desto komplexer gestaltet sich die Topografie. Dadurch ist eine eindeutige Zuteilung zu „Wind zugewandt“ oder „Wind abgewandt“ gar nicht mehr so leicht möglich.
Besonders schwierig wird es, wenn ein Tal auf beiden Seiten von sehr hohen Bergen überragt wird. Dann lässt sich teilweise keine eindeutige Luv- bzw. Leeseite definieren. Je mehr Gebirgszüge einem Tal in einer Himmelsrichtung vorgelagert sind, desto stärker ist der abschottende Effekt der Höhenrücken bei der entsprechenden Windrichtung.
Während Täler am Alpenrand zumindest nach Norden oder Süden teilweise nur eine Bergkette vom flachen Alpenvorland trennt, sind Tälern im Bereich des Alpenhauptkamms teils mehrere hohe Gebirgszüge vorgelagert.
Jede einzelne Bergkette sorgt im Regelfall im Zusammenhang mit Fronten bei Regen oder Schneefall für eine Niederschlagsabschwächung. Je breiter das Gebirgstal ist, desto stärker ausgeprägt ist auch der Absinkeffekt auf der Leeseite der Berge. Das wiederum hat zur Folge, dass sich die Niederschläge weiter abschwächen.
Bei einem Blick auf den Alpenbogen kann man sofort erkennen, wo sich tief eingeschnittene Täler finden, welche nicht nur weit weg vom Alpenrand liegen, sondern auch quer zur Hauptwindrichtung ausgerichtet sind. Solche Täler nennt man inneralpin und hier fällt im Regelfall wenig Niederschlag. Deshalb werden sie auch inneralpine Trockentäler genannt.
Wo finden sich in Österreich die inneralpinen Trockentäler?
In Österreich finden sich diese inneralpinen Trockentäler einerseits nördlich des Alpenhauptkamms im westlichen Nordtirol (Oberes Inntal, hinteres Ötztal). Auf der anderen Seite, südlich des Alpenhauptkamms, sind es die Regionen im nördlichen Osttirol (Oberes Iseltal) sowie im nordwestlichen Kärnten (Oberes Mölltal). Aber auch im Lungau oder dem Oberen Murtal fällt für die Höhenlage relativ wenig Niederschlag. All diese Regionen liegen in unmittelbarer Nähe zum Alpenhauptkamm und sind weit vom Alpenrand entfernt. Diese inneralpinen Trockentäler sind in Abbildung 1, wo der durchschnittliche Jahresniederschlag in Österreich und Südtirol dargestellt ist, gut erkennbar.
Am trockensten ist es dabei im Oberen Inntal. An der ZAMG Wetterstation Prutz (siehe Abbildung 2 für eine Übersicht der genannten Wetterstationen und Niederschlagsmengen) fällt auf 871m im Jahresmittel (1991-2020) nur 684mm Niederschlag. Selbst im 1384m hoch gelegenen Nauders, am unmittelbaren Übergang zu Südtirol, sind es im Schnitt mit 716mm pro Jahr nur um wenige Millimeter mehr. Als Vergleich: In Wien summiert sich in einem Jahr durchschnittlich rund 670mm Niederschlag auf. Im Gegensatz dazu erreicht die Jahresniederschlagsmenge im nur knapp 50km von Nauders entfernten Schröcken (südöstlicher Bregenzer Wald) mit knapp über 2100mm Niederschlag den dreifachen Wert! Am Beispiel zwischen Schröcken und Nauders sieht man, welch großen Einfluss die Gebirgszüge auf den Niederschlag haben.
Aber auch im nördlichen, dem Oberen Inntal vorgelagerten Paznaun (Ischgl, siehe Abbildung 3 für einen Detailausschnitt) fällt relativ wenig Niederschlag. Hier schirmt einerseits nach Süden hin der Alpenhauptkamm das Tal vor kräftigem Regen und Schneefall ab und andererseits sorgt im Norden der Arlberg dafür, dass aus dieser Himmelsrichtung nur wenig Regen und Schnee ins Paznaun gelangt. Weiter ostwärts zeichnet sich das Ötztal durch relative Niederschlagsarmut aus. Am Eingang des Ötztals fallen im knapp über 1000m hoch gelegenen Umhausen nur rund 750mm Niederschlag und selbst im hintersten Ötztal in Obergurgl auf über 1900m fallen in einem Jahr durchschnittlich kaum mehr als 900mm Niederschlag.
Auf der Südseite der Alpen finden sich die niederschlagsärmsten Alpenregionen Österreichs vom Virgental im nördlichen Osttirol über das Obere Mölltal in Kärnten bis in den Lungau im Salzburgerland (siehe Abbildung 4 für einen detaillierteren Kartenausschnitt). Am wenigsten Regen und Schnee fällt dabei im Lungau. So sind es in Mariapfarr im nördlichen Lungau auf rund 1150m nur etwas mehr als 760mm pro Jahr. Das Lungau ist nach Norden hin vom Alpenhauptkamm abgeschirmt. In südlicher Richtung sorgen zahlreiche west-ost ausgerichtete Gebirgskämme für eine Niederschlagsabschwächung. Zusätzlich gehen im Lungau im Sommer auch relativ wenige kräftige Gewitter nieder.
In Virgen im nördlichen Osttirol fallen „bereits“ 850mm und in Döllach im Mölltal sind es 890mm Niederschlag. Diese Regionen können bei kräftigen Südlagen, besonders im Herbst und Frühwinter viel Niederschlag abbekommen. Dadurch liegt der mittlere Jahresniederschlagswert im Vergleich zum Lungau oder dem Oberen Inntal schon deutlich höher.
Wo finden sich die trockensten Regionen der Alpen?
Ein Blick auf eine topografische Karte der Alpen (Abbildung 5) macht relativ schnell klar, wo sich die trockenste Region befinden müsste. Nämlich im Bereich der breitesten Stellen des Alpenbogens. Diese befindet sich im Bereich zwischen dem Gardasee bzw. Verona im Süden und der Region nördlich von Garmisch-Partenkirchen im Norden. Hier beträgt die Nord-Süd-Erstreckung der Alpen mehr als 220km!
Von Süden her sorgt zunächst der nach Norden ziehende Einschnitt des Etschtals für einen möglichen Feuchtetransport Richtung Alpenhauptkamm. Bei Bozen zieht das Etschtal nach Nordwesten weg hinauf nach Meran. Durch diesen Knick wird der Feuchtetransport ins Obere Etschtal schon ein wenig erschwert. Bei Meran macht das Etschtal schließlich einen weiten Bogen nach Westen. War das Klima schon in Meran inneralpin geprägt, so ist es der Vinschgau, so heißt der letzte Teil des Etschtals bis zum Ursprung beim Reschenpass, komplett inneralpin.
Nach Süden zu ist dem Vinschgau die Ortlergruppe vorgelagert, im Westen erhebt sich die Sesvennagruppe und im Norden wird das Etschtal in diesem Teil von den Ötztaler Alpen überragt. Alle diese Gebirgsgruppen sind über 3000m hoch und verfügen über keine tiefer eingeschnittenen Passübergänge, welche einen Feuchtetransport von Norden, Westen oder Süden in den Vinschgau ermöglichen würden. Somit bekommt der nordwestliche Teil Südtirols nur bei kräftigen Südostlagen reichlich Niederschlag, wenn die feuchte Luft von Bozen über Meran in den Vinschgau transportiert wird. Wie aus Abbildung 6 ersichtlich, fallen im Vinschgau im Mittel nur 500 bis 600mm Niederschlag und damit ist dieses inneralpine Tal die trockenste Region der Alpen.