11.02.2022
Wetterlexikon | Lake Effect: Niederschlag durch den Bodensee
Im ZAMG Wetterlexikon wird das Wetter in Ihrer Region von Meteorologinnen und Meteorologen der ZAMG erklärt.
Wetterlexikon | Lake Effect: Niederschlag durch den Bodensee
Autorin: Mag. Monika Weis, ZAMG Innsbruck
Der Bodensee hat auf das Wetter in Vorarlberg signifikanten Einfluss. Welchen Einfluss genau und warum das so ist erfahren Sie hier.
Was ist der Lake Effect?
Der "Lake Effect Snow“ (LES) oder einfach nur „Lake Effect (LE)“ ist ein Wetterphänomen, das in den kälteren Jahreszeiten beim Strömen von kalter Luft über größeren, wärmeren, nicht zugefrorenen Wasserflächen auftreten kann.
Die kalte Luft wird beim Überströmen des wärmeren Wassers von unten erwärmt und mit Feuchtigkeit angereichert. Das führt zu einer Umschichtung (Labilisierung) der Luftmasse. Diese nun relativ wärmere und feuchtere Luft steigt auf, kondensiert und es kann zu lokalem, kräftigem Niederschlag kommen, ähnlich wie bei Hitzegewittern (Abbildung 1). Ist die Labilisierung hoch genug sind sogar Schneegewitter möglich. So lange sich dabei Wind und Luftmasse nicht ändern, dauert dieser Prozess an.
Das Besondere dabei ist, dass sich diese Schauer entsprechend der Windrichtung in eng begrenzten Linien (Snowsqualls, siehe Abbildung 2) anordnen, innerhalb derer es mitunter stundenlang kräftig schneit, während es wenige Kilometer weiter kaum bis gar keinen Niederschlag gibt.
Je größer der Unterschied zwischen der Wassertemperatur und der Temperatur der darüberstreichenden Luft ist, umso ausgeprägter ist der Lake Effect. Ebenfalls verstärkt wird dieser Effekt durch die Orographie, wie etwa Berge oder Hügel in Anströmungsrichtung unmittelbar in Küstennähe.
Da dieses Phänomen ein sehr lokal beschränktes Ereignis ist, wird es selbst von hochaufgelösten Wettermodellen nicht verlässlich erfasst. Dementsprechend schwierig ist es für die Meteorologin und den Meteorologen es korrekt vorherzusagen.
Woher kommt der Begriff Lake Effect?
Der Begriff "Lake Effect (LE)“ bzw. „Lake Effect Snow (LES)" stammt ursprünglich aus Nordamerika. Besonders ausgeprägt wird dieser Effekt an den großen Seen (Great Lakes) in den USA und in Kanada beobachtet, wo Kaltluftvorstöße aus den Polarregionen über dem warmen Wasser regelmäßig im Herbst und Frühwinter starke, lokal begrenzte Schneefälle produzieren. Im Winter 2014 ist in Buffalo mit so einem Lake Effect die Rekordschneemenge von 150 cm Schnee in 24 Stunden gefallen.
Da die Großen Seen wegen ihres geringen Salzgehaltes rasch zufrieren, nimmt die Wahrscheinlichkeit für einen Lake Effect Snow im Verlauf des Winters deutlich ab.
Diesen Lake Effect gibt es aber nicht nur in Amerika. Er ist weltweit an jeder Wasseroberfläche zu beobachten, die entsprechend groß ist, von einer kalten Luftmasse überströmt wird und mitunter durch die Orographie, wie Erhebungen an der „Aufprallküste“, verstärkt oder gar erst ausgelöst wird. So wird dieser Effekt immer wieder an der Ostseeküste, an der Kaspischen See und eben auch am Bodensee beobachtet.
Der Lake Effect am Bodensee
Der Bodensee (Abbildung 3) ist zwar mit einer Fläche von 536 km² und einer Maximallänge von 63 km im Vergleich zu den großen Seen in Amerika winzigst, er hat aber auf das Wetter in Vorarlberg signifikanten Einfluss.
Zwar sind solche extremen Schneefälle, wie in den USA, die nicht nur Stunden, sondern auch Tage anhalten können, am Bodensee so nicht möglich. Dennoch wurden am Bodensee immer wieder Ereignisse beobachtet, die dem Lake Effect zugeschrieben werden. Sie dauern meist nur wenige Stunden an, bringen dennoch erstaunliche Niederschlagsmengen. So etwa Anfang Februar 2013, wo in Bregenz binnen 24 Stunden 55 cm Schnee fielen. Das war Rekord!
Anders als an den großen Seen in Amerika kann der Lake Effekt am Bodensee zu jeder Jahreszeit vorkommen, daher sprechen wir hier nur mehr von einem Lake Effect. Die häufigsten Lake Effect Ereignisse (nahezu 2/3 aller Fälle seit 2009) fallen allerdings in die Monate November und Dezember, wenn der Bodensee noch relativ warm ist.
Bei „linienförmigem“, kräftigem Niederschlag in der Bodenseeregion kommt es zu einem Zusammenwirken von Lake Effect und Orographie im Osten des Sees.
Zutaten für den Lake Effect am Bodensee
An der Rückseite eines Tiefdruckgebietes, wird nach dem Kaltfrontdurchgang mit westlicher bis nordwestlicher Anströmung kalte Luft über den Bodensee geführt. Dabei muss die Wassertemperatur des Bodensees höher sein als die Lufttemperatur, was eine hochgradig instabile Luftschichtung in den ersten 100 m über dem See bedeutet.
Weiters muss die Lufttemperatur über dem See in der untersten Schicht um mehr als 1 Grad/100 Höhenmeter abnehmen, also grob umgerechnet in 1500 m Höhe um 11 Grad kühler sein als direkt über dem See.
Durch die Alpen südwestlich des Bodensees wird das bodennahe Windfeld beeinflusst, der Wind umgelenkt. Damit es überhaupt zu einem Lake Effect kommen kann, braucht es eine bodennahe Konvergenz (Zusammenströmen), wodurch die Hebung der Luftmasse und folglich die Konvektion, die zum Lake Effect führt, ihren Anfang nimmt.
Am Bodensee kommt aber vor allem der Orographie stromabwärts (Bregenzerwald und Pfänder) eine große Rolle zu, welche die Hebung verstärkt und damit den Lake Effect überhaupt erst möglich macht. Untersuchungen haben ergeben, dass ohne Orographie am Bodensee kein Lake Effect möglich wäre.
Herausforderungen in der Prognose
Der Lake Effect am Bodensee ist ein seltenes und derart kleinräumiges Phänomen, dass es von keinem Modell-, auch nicht von lokalen, hochauflösenden Modellen- wirklich vorhergesagt wird. Daher wird der Lake Effect meist erst wahrgenommen, wenn er bereits stattfindet.
Befindet sich nicht zufällig eine Messstation im Einflussbereich des Lake Effects, wird dieser nur anhand des Radarbilds an der typischen linienförmigen Struktur mit Signal für viel Niederschlag eben entlang dieser Linie erkannt. Da der Lake Effect am Bodensee teilweise in der Nacht stattfinden, gehen sie in der Prognostik oft unter und werden meist erst im Nachhinein als solche identifiziert.
Fallbeispiele
Lake Effect am 8.2.2013
Am 8.2.2013 reichte ein mächtiger, arktischer Kaltluftvorstoß von Skandinavien bis ins Mittelmeer, darin eingelagert waren mehrere Tiefdruckkerne (siehe Abbildung 4). Vorarlberg wurde an der Rückseite dieses Tiefdruckkomplexes von Norden mit feuchter und kalter Luft angeströmt.
Am Radarbild (Abbildung 5) ist die linienförmige Struktur des Niederschlagsbandes von Bregenz stromabwärts gut zu erkennen mit den größten Niederschlagsraten von Bregenz bis in den Vorderwald hinein.
Radarbild und Niederschlagsmessung zeigten, dass der Lake Effect knapp 3,5 Stunden dauerte und an der Messstation in Bregenz 36 mm Niederschlag in Form von Schnee brachte (Abbildung 6). Am nächsten Morgen wurden 55 cm Neuschnee gemessen.
Lake Effect am 27.7.2010
Über Vorarlberg war West- bis Nordwestströmung vorherrschend mit der relativ kühle und recht feuchte Atlantikluft herbeigeführt wurde. Eine schwache Konvergenzlinie im Bodenniveau begünstigte zusätzlich die Hebung (Abbildung 7).
Am Radarbild ist wiederum das linienförmige Niederschlagsband von Bregenz stromabwärts mit den deutlich höheren Regenraten als in der Umgebung zu erkennen (Abbildung 8).
Anhand des Radarbilds und der Niederschlagsmessung ist zu erkennen, dass dieser Lake Effect rund 2 Stunden dauerte und in diesen 2 Stunden an der Messstation in Bregenz knapp 43 mm Niederschlag brachte (Abbildung 9).