Aktuell / Schon gewusst? / Wetterlexikon / Wetterlexikon | Saharastaub: Staub aus der Ferne

15.10.2021

Wetterlexikon | Saharastaub: Staub aus der Ferne

Im ZAMG Wetterlexikon wird das Wetter in Ihrer Region von Meteorologinnen und Meteorologen der ZAMG erklärt.

Saharastaub: Staub aus der Ferne

Autorin: Mag. Sirma Stenzel, ZAMG Wien

Ein ungewöhnlicher Anblick: Statt strahlend weiß ist er gelblich-braun, der Schnee. Der Grund? Saharastaub, das über tausende von Kilometern durch die Luft transportiert wurde. In Europa kommt es immer wieder zu Saharastaubereignissen. Bei gewissen Wetterlagen werden gewaltige Mengen Sand in der Wüste Nordafrikas aufgewirbelt und gelangen in höhere Schichten. Herrscht dann eine Südströmung werden große Mengen an Staub nach Norden transportiert. Mehrmals im Jahr gelangt der Saharastaub dabei auch nach Österreich, wo er zum Beispiel für Schneeverfärbungen führt (Abbildung 1).

Wetterlebikon_7Saharastaub_1_Schneefaerbung.jpg
Abbildung 1: Verfärbung des Schnees aufgrund des Saharastaubs am Sonnblick Observatorium. Quelle: ZAMG/Rasser.

Beim Aufwirbeln erreicht der Staub Höhen von mehreren Kilometern und braucht im Allgemeinen zwischen zwei Tagen und einer Woche, bevor er den Alpenraum erreicht. Solche Phänomene treten in Zentraleuropa hauptsächlich im Frühjahr (März bis Juni) bzw. im Herbst (Oktober und November) auf. Abbildung 2 zeigt die Tage in Österreich mit Saharastaub bzw. die monatliche Aufteilung dieser Ereignisse. 

Wetterlebikon_7Saharastaub_2_VerteilungEreignisse.jpg
Abbildung 2: Darstellung der Tage pro Monat mit Saharastaub in Österreich. Quelle: ZAMG/Rasser.

Aber nicht nur die Schneefarbe ist vom Saharastaub betroffen. Ausgewaschen durch Regen kann sich der Staub an Flächen wie zum Beispiel an Autos und Fenstern ablagern. Auch die Luftqualität, die eine bedeutende Rolle für das Wohlbefinden von Menschen, Tieren und Pflanzen spielt, kann von Saharastaub beeinträchtigt werden. Außerdem kann die Sicht durch Saharastaub getrübt werden, und zu Schließungen von Flughäfen führen. 

Wetterlebikon_7Saharastaub_3_StaubEinfluss.png
Abbildung 3: Bereiche der Auswirkungen von Saharastaub. Quelle: ZAMG.

Nicht nur in Bodennähe, sondern auch in höheren Schichten wirkt sich der Staub aus. Je nach Konzentration des Staubes in der Luft kann die Sonne milchig-rötlich scheinen, der Himmel leicht getrübt, bzw. die Fernsicht beeinträchtigt sein. In höheren Schichten führt der Staub zur Verfärbung des Himmels und zu stärkerer Wolkenbildung, da sich die Zahl der Kondensationskerne, an denen sich Tropfen bilden, erhöht. Der Staub hat einen großen Einfluss auf die Sonnenstrahlung (weniger Sonnenstrahlung kommt am Boden an) und somit wird die Stromproduktion von Photovoltaikanlagen deutlich beeinträchtigt. Die genauen Auswirkungen des Saharastaubs auf die Gesundheit der Menschen und die Umwelt sind Gegenstand weiterer Forschungen, Messungen und Untersuchungen.

Der Großteil des in Richtung Mitteleuropa herantransportierten Saharastaubs befindet sich zumeist in höheren Luftschichten (z.B. 2,5-3,5 km über der Erdoberfläche) und wirkt sich nicht wesentlich auf die Luftqualität in den unteren Luftschichten aus. Bei bestimmten Strömungssituationen mit guter vertikaler Durchmischung, z.B. Föhn, kann jedoch auch ein Anteil des Saharastaubes die unteren Luftschichten erreichen und zur Feinstaubkonzentration am Boden beitragen.

Warum Saharastaub gesundheitsschädigend sein kann

Die Luftqualität ist eine Schlüsselgröße für das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Bevölkerung. Luftschadstoffe können aus natürlichen und anthropogenen (also menschgemachten) Quellen stammen und kommen in fester, flüssiger oder gasförmiger Konsistenz vor. Die festen Partikel – das Aerosol – haben Teilchengrößen vom submikroskopischen bis in den Millimeterbereich hinein. Anhand der Eigenschaft des Schadstoffes teilt man die Aerosolteilchen, je nach Größe, in atembare Partikel (Feinstaub) und nicht atembare Partikel (Grobstaub) ein. Großpartikel entstehen unteranderem durch Straßen- und Reifenabtrieb, aber zu ihnen gehören auch z.B. Blütenpollen. Die lungengängigen Teilchen sind kleiner als 10 µm und bestehen größtenteils aus Verbrennungsprodukten.  Feinstaub (PM10) kann aufgrund der geringen Partikelgröße über den Kehlkopf bis tief in die Lunge gelangen und ist daher besonders gesundheitsschädlich. Zu den natürlichen Feinstaubquellen gehört auch der Saharastaub.

Wissen wann der Staub kommt?

Vorhersagemodelle unterstützen die Öffentlichkeit mit Informationen über die aktuelle Luftqualität, die weitere Entwicklung in Echtzeit und bieten die Möglichkeit rechtzeitig vor möglichen Grenzwertüberschreitungen zu warnen. An der ZAMG werden täglich mit aufwändigen Rechenmodellen Luftqualitätsvorhersagen durchgeführt. In die Berechnungen gehen Emissionen durch Industrie und Verkehr ein, aber auch natürliche Emissionen, wie durch Vegetation und das Aufwirbeln von Staub (siehe Abbildung 4). Die komplexen Ausbreitungsmodelle der ZAMG für die Vorhersage der Luftqualität berücksichtigen im Unterschied zu klassischen Vorhersagemodellen nicht nur die Verlagerung von Teilchen mit dem Wind, sondern auch die chemische Umwandlung der Aerosolkomponenten.

Wetterlebikon_7Saharastaub_4_Quellen_Modell.png

Abbildung 5 zeigt die vorhergesagte „gesamte Staubsäule“ (Summe der Staubkonzentrationen über alle Luftschichten vom Boden bis zum Oberrand der Atmosphäre) für den 1.4.2014 um 00 UTC (2:00 Uhr Lokalzeit). Diese einwöchige Episode, während der Saharastaub Richtung Österreich transportiert wurde, war besonders interessant, da aufgrund der großräumigen Wetterlage der am Sonnblick Observatorium gemessene Saharastaub durch Strömungsumlenkung über Westeuropa teilweise aus Nord-Westen (statt direkt aus dem Süden) herantransportiert wurde.

Wetterlebikon_7Saharastaub_5_Modellrechnung.png
Abbildung 5: Summe der Staubkonzentrationen über alle Luftschichten vom Boden bis zum Oberrand der Atmosphäre am 1.4.2014 00 UTC (UTC = Koordinierte Weltzeit, 00 UTC = 2:00 Uhr Lokalzeit). Quelle: ZAMG/Hirtl.

Die Prognosen werden an der ZAMG Abteilung für Umweltmeteorologie mit einem sogenannten online gekoppelten Vorhersagemodell WRF/Chem (Weather Research and Forecasting model coupled to Chemistry) zwei Mal pro Tag gerechnet. In jeder Berechnung entstehen Vorhersagen für die nächsten drei Tage. Dieses Modell berücksichtigt im Unterschied zu klassischen Vorhersagemodellen nicht nur die Verlagerung von Schadstoffen mit dem Wind, sondern auch die chemische Umwandlungen von Gasen und Aerosolkomponenten in der Atmosphäre und deren Auswirkungen auf meteorologische Größen wie Wolkenbildung und Strahlungshaushalt. Die Meteorologie wird gleichzeitig mit den Emissionen, der Turbulenz, dem Transport und den Umwandlungsprozessen der chemischen Substanzen simuliert.

Die ZAMG veröffentlicht die Vorhersagen der großräumigen Schadstoffbelastung für die nächsten drei Tage für Ozon, Fein- und Saharastaub auf ihrer Website. Das Vorhersagegebiet reicht von Nordafrika über Europa bis Grönland. Die Grafiken und Animationen sind frei zugänglich auf der Webseite der ZAMG.