12.04.2016
Das geomagnetische Observatorium am Cobenzl in Wien schließt nach 60 Jahren Magnetfeldmessungen
Österreich führt eine der weltweit längsten Erdmagnetischen Messreihen (seit rund 170 Jahren). Mit April 2016 wurde das geomagnetische Cobenzl-Observatorium in Wien geschlossen, da die Störeinflüsse durch die Stadt mittlerweile zu groß geworden sind. Die Messreihe wird nun im Conrad-Observatorium der ZAMG am Trafelberg in Niederösterreich weitergeführt.
Kontinuierliche Messungen des Erdmagnetfeldes dienten früher vor allem der Navigation, um zum Beispiel in der See- und Luftfahrt den Unterschied zwischen magnetischem und geografischem Nordpol exakt berücksichtigen zu können. Bereits zur Regierungszeit von Kaiser Franz Joseph (1848-1916) wurde für das gesamte damalige österreichische Gebiet die erste geomagnetische Landesaufnahme erstellt. Diese wurde unter der Leitung von Karl Kreil, dem ersten Direktor der „k.k. Central - Anstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus" durchgeführt. Neben dem wissenschaftlichen Interesse war damals vor allem der Nutzen für die Marine die Hauptmotivation. Auch heute, in Zeiten des GPS, sind geomagnetische Informationen in der Navigation wichtig, da bei einem Ausfall der Elektronik die Ersatzsysteme mit Magnetkompassen arbeiten.
Das Magnetfeld der Erde wird schwächer
Das Magnetfeld der Erde hat aber eine noch fundamentalere Aufgabe, erklärt Geomagnetik-Expertin Barbara Leichter von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG): „Das Magnetfeld schützt seit mindestens drei Milliarden Jahren alle Lebewesen vor gefährlicher Strahlung der Sonne und aus dem Weltraum. Wir verfolgen daher sehr genau jede Änderung. Gegenwärtig wird das Magnetfeld global um etwa vier Prozent pro Jahrhundert schwächer. In der Erdgeschichte gab es schon mehrmals völlige Umpolungen zwischen Nord- und Südpol, die letzte fand vor ca. 780.000 Jahren statt. Aber auch schon kleinere Schwankungen des Magnetfeldes können große Auswirkungen haben, wenn zum Beispiel sogenannte Sonnenstürme Störungen an Satelliten und in Stromnetzen verursachen."
Vom Theresianum bis zum Cobenzl: geomagnetische Observatorien in Wien
Die Messung des Erdmagnetfeldes und seiner Änderungen ist somit auch heute von großer Relevanz. Auf Grund der langen Messtradition in diesem Bereich besitzt die ZAMG eine der weltweit längsten geomagnetischen Messreihen. Ab dem Jahr 1852 ließ der erste Direktor der ZAMG Karl Kreil geomagnetische Messungen im Theresianum in Wien durchführen (gegenüber dem damaligen Gebäude der ZAMG). Wegen der immer größeren Störeinflüsse durch die Stadt wurden die Messungen ab 1872 in die Zentrale der ZAMG auf die Hohe Warte verlegt. Ab 1928 wurde das Magnetfeld in einem Observatorium am Nordrand des Lainzer Tiergartens in Wien-Auhof vermessen, das dann im 2. Weltkrieg fast gänzlich zerstört wurde. Da es aber nützlich erschien die magnetischen Beobachtungen am gleichen Ort weiterzuführen wurde es wieder aufgebaut. Die beginnende Elektrifizierung von Wien machte aber bald eine neuerliche Verlegung notwendig. 1955 wurde daher am Cobenzl in Wien-Döbling ein neues geomagnetisches Observatorium errichtet.
Elektrische Effekte der Stadt stören Messungen
Im Cobenzl-Observatorium untersuchte die ZAMG mehr als 60 Jahre lang das Magnetfeld der Erde. Allerdings wurden in den letzten Jahren die Einflüsse der Stadt immer stärker, sagt Barbara Leichter: „Wir registrierten immer mehr Störungen, zum Beispiel durch die U-Bahn und andere elektrische Effekte der Stadt, die im Boden Ströme induzieren. Diese Einflüsse wirkten sich auch deshalb immer stärker aus, weil die Messgeräte immer empfindlicher werden und auch zeitlich immer genauer messen. Wurden früher nur Tagesmittel erhoben, messen wir mittlerweile Magnetfeldschwankungen im Sekundenbereich."
Störungsfreie Messungen im Inneren des Trafelbergs
Bereits vor einigen Jahren wurde klar, dass die Errichtung eines neuen Observatoriums notwendig geworden ist. Dies führte zum Bau des Conrad-Observatoriums der ZAMG, das mittlerweile eine der weltweit modernsten Einrichtungen zur Messung und Erforschung des Erdmagnetfeldes und zahlreicher weiterer geophysikalischer Eigenschaften wie Erdbeben und Erdschwere ist. Es befindet sich am Trafelberg in Niederösterreich, rund 50 Kilometer südwestlich von Wien im Bezirk Wr. Neustadt. Die abgeschiedene und größtenteils unterirdische Lage, mit mehr als zwei Kilometer Stollen und Schächten, garantiert nahezu störungsfreie Messungen.
Erstmals Untersuchungen des Einflusses von Großstädten auf das Magnetfeld
Das Cobenzl-Observatorium wurde im April 2016 endgültig geschlossen. Davor führte die ZAMG hier zwei Jahre parallel zum neuen Conrad-Observatorium Messungen durch. So konnten die Charakteristika der Messstandorte ausgewertet werden, was für die Vergleichbarkeit langer Messreihen sehr wichtig ist. Durch die parallelen Messungen ergibt sich noch ein anderer Vorteil von großer wissenschaftlicher Relevanz, erklärt Geomagnetik-Expertin Leichter: „Wir hatten dadurch die besondere Situation, hochwertige Messungen des Magnetfeldes in der Nähe einer Großstadt und gleichzeitig nicht allzu weit entfernt in nahezu störungsfreier Umgebung durchführen zu können. Derzeit werten wir das umfangreiche Datenmaterial aus, um den geomagnetischen Einfluss von Städten besser zu verstehen. Das ist unter anderem deshalb wichtig, weil weltweit viele Observatorien aus historischen Gründen in der Nähe von Großstädten messen und die unterschiedlichen Einflüsse immer noch nicht völlig klar sind. Hier spielen viele Faktoren mit, wie zum Beispiel Stromleitungen, Eisenbahn und U-Bahn."
Lange Nacht der Forschung an der ZAMG am 22. April 2016
Einen Einblick in die Erforschung des Erdmagnetfeldes bietet die ZAMG auch bei der Langen Nacht der Forschung am Freitag, dem 22. April 2016. Die ZAMG präsentiert bei der Langen Nacht der Forschung an den Standorten Wien, Graz und Salzburg ihre Arbeiten in den Bereichen Wetter, Klima, Umwelt und Geophysik mit Vorträgen, Führungen und interaktiven Stationen.
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Die Startphase des Cobenzl-Observatoriums im Jahr 1956: In den Hütten am Stadtrand von Wien waren die Geräte zur Messung des Erdmagnetfeldes untergebracht. Hier wurde von 1955 bis 2016 gemessen. Jetzt verlegte die ZAMG die Messungen wegen immer größeren Störeinflüsse der Stadt ins Conrad-Observatorium (NÖ). Quelle ZAMG. –>Link zum Bild in Originalgröße
Historisches Gerät zur Messung des Magnetfeldes: Das nach Toepfer-Eschenhagen konstruierte Magnetometer wurde von Beginn an im Cobenzl-Observatorium in Wien verwendet und misst das Magnetfeld entlang der drei Raumachsen x, y, z. Quelle ZAMG. –>Link zum Bild in Originalgröße
Beginn der Magnetfeldmessungen im Jahr 1852 in Wien/Wieden: Die Zeichnung zeigt den ersten Standort der. k. k. Centralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus in Wien Wieden, Favoritenstraße Nr. 303, gegenüber des Theresianums, in dessen Garten bereits regelmäßig das Magnetfeld der Erde gemessen wurde. Quelle ZAMG. –>Link zum Bild in Originalgröße
Messung des Erdmagnetfeldes heute: Das Conrad-Observatorium (NÖ) zählt zu den weltweit modernsten geophysikalischen Observatorien. Das Bild zeigt die Vorbereitungen zu einer Messung des Erdmagnetfeldes im 400 Meter langen Hauptstollen des geomagnetischen Bereichs. Quelle ZAMG/Lammerhuber. –>Link zum Bild in Originalgröße
Magnetfeldmessung im Conrad-Observatorium am Trafelberg in Niederösterreich: Testphase einer Kalibriermessung der Magnetometer im Stollen. Die Anpeilung einer Zieltafel zur automatischen Kalibrierung erfolgt mittels Laser. Quelle ZAMG/Lammerhuber. –>Link zum Bild in Originalgröße
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Web-Links
ZAMG Geomagnetik: www.zamg.at/cms/de/geophysik/magnetik
Conrad Observatorium: www.zamg.at/cms/de/geophysik/conrad-observatorium und www.conrad-observatory.at
ZAMG allgemein: www.zamg.at und www.facebook.com/zamg.at