Fließgewässer
Wie reagieren die Flüsse?
Das Klimasystem ist stark mit den Vorgängen im Wasserkreislauf verwoben. Die Flüsse als Teil dieses Systems sind in ihrem Abflussverhalten im Wesentlichen geprägt durch die Klimakomponenten Niederschlag und Temperatur. Deren Einflüsse auf den Abfluss werden sich in den nächsten Jahrzehnten voraussichtlich ausgleichen.
Die starke Verknüpfung zwischen dem Wasserkreislauf und dem Klima lässt sich am deutlichsten mit der Wasserbilanzgleichung ausdrücken:
A = N – V ± ∆S
A … Abfluss
N … Niederschlag
V … Verdunstung
∆S … Änderungen im Speicher
Der Abfluss an der Oberfläche wird im Wesentlichen durch die klimatologischen Größen Niederschlag und Verdunstung sowie durch Änderungen in den Speichern (Grundwasserkörper) bestimmt. In Abbildung 1 sind die aktuellen Trends (1976–2007) der jährlichen und jahreszeitlichen Niederschlagssumme auf Basis von homogenisierten HISTALP-Datenreihen dargestellt. Die etwas ungewöhnliche Trendperiode resultiert zum einen aus pragmatischen Gründen der Datenverfügbarkeit, zum anderen aus der Tatsache, dass ab den späten 1970er-Jahren der anthropogene Treibhauseffekt voll zum Tragen kommt (vgl. „Klimaantriebe im Vergleich“).
Im Norden mehr, im Süden weniger Niederschlag
Ein leicht steigender Trend der Jahresniederschlagssumme lässt sich dabei nördlich des Alpenhauptkamms feststellen, abnehmende Niederschläge in den südlichen Regionen und in Vorarlberg, wobei diese nicht signifikant sind. Im Frühjahr ist das Muster ähnlich, wobei die abnehmenden Trends im Süden nicht stark ausgeprägt sind. Die Sommermonate sind von generell zunehmenden Niederschlägen geprägt, mit wenigen Ausnahmen im Land Salzburg und in Vorarlberg. Der Herbst präsentiert sich ähnlich, allerdings sind die Trends eher schwach und statistisch nicht signifikant. Das deutlichste Trendsignal des Niederschlags zeigt sich in den Wintermonaten. Hier ist ein stark negativer Trend in Kärnten und in Teilen Salzburgs erkennbar, bundesweit nehmen die Winterniederschläge bis auf wenige Ausnahmen ebenso ab.
In Abbildung 2 sind die Trends in den jährlichen und jahreszeitlichen Abflüssen dargestellt, wobei nur Flussabschnitte ohne bauliche Maßnahmen im Untersuchungszeitraum in die Darstellung einfließen. Der Jahresabfluss im Zeitraum von 1976 bis 2007 zeigt für 81 % der Pegelmessstellen keinen statistisch signifikanten Trend. Für bestimmte Gebiete lassen sich jedoch Trends ablesen. So zeigt sich beispielsweise im Süden ein fallender Trend, ebenso wie in Vorarlberg. Im östlichen Alpenraum sind positive Trends zu verzeichnen.
Schwache Trends zu geänderten Abflüssen
Die saisonalen Trends zeigen wieder deutliche Unterschiede zum Jährlichen. Im Frühjahr nehmen die Abflüsse im Süden signifikant ab, in allen anderen Landesteilen kommt es zu einer leichten – vor allem in den alpinen Gebieten signifikanten – Zunahme der Abflüsse. Im Sommer zeigt sich ein deutliches Ost-West-Gefälle mit positiven Trends östlich und negtiven Trends westlich einer Achse Linz-Graz. Eine Ausnahme bilden Pegel in großen Höhen wie beispielsweise in Tirol. Die Herbstmonate sind durch zunehmende Abflusstrends in alpinen Gebieten gekennzeichnet, in den niedriger gelegenen Gebieten sind keine eindeutigen Trends erkennbar. Dieses heterogene Muster ist im Winter über das gesamte Bundesgebiet erkennbar, lediglich im Bereich der Hohen Tauern zeigt sich ein positiver Trend im Abfluss.
Der Niederschlag ist zweifelsfrei der Hauptfaktor für die Bildung von Oberflächenabfluss. Vergleicht man allerdings Abbildungen 1 und 2, so ergeben sich in einigen Gebieten gegensätzliche Trends. Ziemlich groß sind die räumlichen Unterschiede in den Sommermonaten, hier zeigt der Abfluss in weiten Teilen Österreichs einen negativen Trend. Dieser ist nicht allein durch den Niederschlag zu erklären, da dieser weitgehend positiv ist. Demgegenüber steht der Winter mit signifikant abnehmenden Niederschlägen, welche sich nicht im Abflussverhalten widerspiegeln. Die Trends in den Übergangsjahreszeiten präsentieren sich wesentlich homogener.
Mehr Niederschlag – weniger Abfluss?
Die beiden fehlenden Terme der Wasserbilanzgleichung, nämlich die Verdunstung und der Speicher, sind offenbar nicht zu vernachlässigen. So kann sich ein steigender Trend in der Verdunstung, verursacht durch höhere Temperaturen, negativ auf das Abflussverhalten auswirken.
Will man einen vorsichtigen Blick in die Zukunft des Wasserkreislaufes auf Einzugsgebietsebene werfen, so ist man auf die Simulationsergebnisse aus regionalen Klimamodellen angewiesen. Eine Abschätzung über die Entwicklung von Temperatur, Niederschlag und Schneebedeckung findet sich im Artikel „Klimazukunft im Alpenraum“. Diese Daten gehen in Niederschlag-Abfluss-Modelle ein, welche zukünftige Abflussmengen an Pegelmessstellen berechnen. Die Zuverlässigkeit der Ergebnisse erhöht sich, wenn man mehrere Methoden, die sich im Hinblick auf Daten und Annahmen unterscheiden, verwendet. Eine Zusammenschau der unterschiedlichen Ansätze hat zu folgenden Ergebnissen geführt:
Zukünftige Änderungen des Abflusses
Im Zeitraum 2021–2050 wird sich verglichen mit dem Zeitraum 1976–2007 der mittlere Jahresabfluss um weniger als ±5 % verändern. Die Niederschläge werden in Zukunft zwar leicht zunehmen. Die höheren Temperaturen sorgen aber für eine höhere Verdunstung, was sich negativ auf die Abflussmengen auswirkt. Im Südosten kann die Abnahme der jährlichen Abflüsse größer als 5 % werden, da in diesem Gebiet der Abfluss sensibler auf Änderungen der Lufttemperatur und des Niederschlags reagiert (Abb. 3). Grundsätzlich ist die natürliche Variabilität des mittleren jährlichen Abflusses zwischen den Jahren größer ist als die zufolge einer Klimaänderung im Zeitraum 2021–2050 zu erwartenden Änderungen.
Abflussmaxima verschieben sind
Für ganz Österreich mit Ausnahme des Südens ist eine Erhöhung der Winterabflüsse um etwa 20 % zu erwarten. Im Osten ist möglicherweise eine Abnahme des Frühjahrsabflusses und im Westen eine Abnahme des Sommerabflusses um jeweils 10 bis 20 % zu erwarten. Das Abflussmaximum in den alpinen Regionen könnte sich etwas nach vor verschieben, von Mitte auf Anfang Juni. Im Süden ist mitunter ein späteres Abflussmaximum zu erwarten. Im nördlichen Alpenvorland verschieben sich die Abflussminima möglicherweise vom Winter in den Sommer. In Abbildung 4 ist die Veränderung des Abflussregimes an der Donau am Pegel Wien abgebildet. Im Szenario für den Zeitraum 2021-2050 sind im Winter höhere Abflüsse zu erwarten, im Gegensatz zum Frühjahr. Mehr zu den beobachteten Hochwassertrends in Mitteleuropa ist im Artikel „Hochwasser" zu finden.
Literatur:
Sämtliche Inhalte dieses Artikels entstammen folgender, vom Lebensministerium in Auftrag gegeben und von ZAMG und TU Wien durchgeführten Studie:
Schöner W., Böhm R., Haslinger K., Blöschl G., Kroiß H., Merz R., Blaschke A.P., Viglione A., Parajka J., Salinas J.L., Drabek U., Laaha G., Kreuzinger N. (2011): Anpassungsstrategien an den Klimawandel für Österreichs Wasserwirtschaft. Wien: Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, 517 Seiten (Website)
Blöschl G., Merz R., Blaschke A.P., Viglione A., Parajka J., Salinas J., Kroiss H., Kreuzinger N. (2010): Wasserdargebot Oberflächenwasser. In: Schöner W., Böhm R., Haslinger K., Blöschl G., Kroiß H., Merz R., Blaschke A.P., Viglione A., Parajka J., Salinas J.L., Drabek U., Laaha G., Kreuzinger N.: Anpassungsstrategien an den Klimawandel für Österreichs Wasserwirtschaft. Wien: Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, 1–78 (Website)
Maniak U. (2005): Hydrologie und Wasserwirtschaft. Eine Einführung für Ingenieure. 5. Aufl. Berlin, Heidelberg: Springer, 666 Seiten, ISBN 978-3-540-27839-9
Schöner W., Böhm R., Haslinger K. (2010): Klimaänderung in Österreich. Hydrologische Relevanz. In: Schöner W., Böhm R., Haslinger K., Blöschl G., Kroiß H., Merz R., Blaschke A.P., Viglione A., Parajka J., Salinas J.L., Drabek U., Laaha G., Kreuzinger N.: Anpassungsstrategien an den Klimawandel für Österreichs Wasserwirtschaft. Wien: Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, 1–71 (Website)