Gletscher in Österreich
Regional haben Gletscher einen Wert als Süßwasserspeicher und im Tourismus. Ihr Beitrag zum Abfluss wird aber oft überschätzt.
Die Bedeutung der heimischen Gletscher
Die österreichischen Gletscher sind von wesentlicher Bedeutung für das Landschaftsbild und der Identifikation mit diesem. Um nennenswerte Auswirkungen auf das Klima oder die Wasserversorgung auszuüben, sind sie aber zu klein.
Lokal und regional betrachtet sind Gebirgsgletscher vor allem als Süßwasserspeicher, als touristische Attraktion und als potenzielle Gefahrenquelle (z.B. Gletscherseeausbruch, Eissturz) von Bedeutung. Ihr Einfluss auf das lokale Klima ist zwar für den Alpinisten spür- und messbar (z.B. Gletscherwind, Temperaturunterschied zum Moränenvorfeld), hat allerdings keine nennenswerten Konsequenzen im größeren Maßstab. Bei den, im globalen Verhältnis, kleinen Gebirgsgletschern der österreichischen Alpen spielt das Eis als Wasserressource so gut wie keine Rolle. Wenn man die derzeit etwa 12,4 km³ österreichischen Eises in Flüssigwasser umrechnet und auf das Staatsgebiet verteilt, entspricht dies lediglich 150 l/m² oder weniger als einem Sechstel des mittleren Jahresniederschlages Österreichs.
Touristischer Anziehungspunkt und Identifikationsobjekt
In der Wasserbilanz eines Einzugsgebietes ist mit der sogenannten Gletscherspende der zusätzliche Beitrag der Gletscher am gesamten Abfluss in Jahren mit negativer Massenbilanz gemeint. Bei positiver Massenbilanz ist die Spende negativ, da ein Teil des Niederschlags als Schnee oder Eis im Gletscher verbleibt, d.h. die Gletscher haben eine speichernde Wirkung und verringern dadurch den Abfluss. Umgekehrt steigt der Abfluß wenn der Gletscher netto an Masse verliert, obwohl sich der Niederschlag nicht verändert hat.
Die mittlere jährliche Massenbilanz der letzten Jahre (ca. -1.000 kg/m²) und die Extremwerte (über -2.000 kg/m²) entsprechen, umgelegt auf die Fläche Österreichs, einer jährlichen mittleren Gletscherspende von 5 mm bzw. 10 mm oder knapp 0,5% des Normalabflusses der österreichischen Flüsse. Die Gletscherspende lag im Mittel der letzten Jahre selbst in stark vergletscherten Einzugsgebieten wie dem Rofental im Tiroler Ötztal bei nicht mehr als ca. 20 % für die Sommermonate und unter 10 % für den Jahreswert. Nur in einzelnen extrem heißen und trockenen Sommermonaten kann dieser Beitrag deutlich höher sein, wie in Abbildung 1 zu sehen ist. Am Pegel Mittersill der Salzach lieferten die Gletscher im überdurchschnittlich warmen August 2003 knapp 60 % des Gesamtabflusses, während sie in den weniger warmen Sommern 2004 und 2005 einen deutlich geringeren Beitrag lieferten.
Gletscherspende ist für den Abfluss nicht entscheidend
Abbildung 2 zeigt die Abflussganglinie eines stark glazial geprägten Abflussregimes (ca. 50 % Vergletscherung des Einzugsgebietes) direkt unterhalb des Goldbergkeeses (Abb. 3) in den Hohen Tauern für die Jahre 2003 bis 2006. Im Anschluss an die Schneeschmelze im Frühjahr und Frühsommer beginnt die durch starke Tagesgänge der Abflusswerte gekennzeichnete Eisschmelze, die im Hochsommer beträchtliche Abflussmengen erzeugen kann. Der erste Kaltlufteinbruch im Herbst beendet die Eisschmelze und somit kommt auch der Abfluss oft abrupt zum Erliegen.
Die heimischen Gletscher haben also lediglich eine puffernde Wirkung im Wasserkreislauf, die sich im jahreszeitlichen Abflussregime bemerkbar macht, allerdings nicht von großer Bedeutung ist. Deutlich wichtiger ist in den Alpen der jahreszeitliche Wasserspeicher der, flächenmäßig viel bedeutenderen, saisonalen Schneedecke. Sie hält im Herbst und Winter viel Niederschlagswasser zurück und bringt es im Frühjahr und Frühsommer in größeren Mengen als im Hochsommer die direkte Eisabschmelzung der Gletscher wieder in den Wasserkreislauf ein.
Literatur:
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https://doi.org/10.3389/feart.2019.00068
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