Meereis
Rückkopplungsprozesse wie der Eis-Albedo-Effekt kommen auch bei der Beziehung zwischen Meereis und Klima zum Tragen.
Die eisfreie Nordostpassage kommt – aber wann?
Die Flächenabnahme des arktischen Meereises seit den beginnenden 1980er-Jahren gehört zu den markantesten Auswirkungen des gegenwärtigen Klimawandels. Eine weitere Abnahme in der Zukunft würde zu deutlichen Veränderungen für den Menschen, aber auch für die Natur führen.
Meereis ist gefrorenes Meereswasser, das auf Grund seines geringeren spezifischen Gewichtes auf dem Meerwasser schwimmt (Abb. 1). Im Gegensatz zu den polaren Eismassen auf dem Festland weist das Meereis eine starke jahreszeitliche Schwankung seiner räumlichen Ausdehnung auf. Zusätzlich unterliegt die Ausdehnung des Meereises auch einer Veränderung von Jahr zu Jahr. Die minimale jährliche Ausdehnung des Meereises wird derzeit in der Klimaforschung intensiv diskutiert, insbesondere für die Arktis im Nordsommer.
Einfluss auf Salzgehalt, Meeresströmungen und Erdklima
Die beobachtete deutliche Abnahme der arktischen Meereisausdehnung hat nicht nur über Rückkopplungseffekte deutliche Folgen für das Erdklima, sondern ist auch für die polare Ökologie und allgemein für den Menschen von großer Bedeutung. Während Meereis im Bereich der Arktis mehrere Jahre alt werden kann, schmilzt das Meereis im Bereich der Antarktis jedes Jahr im Südsommer zu großen Teilen und wird im Südwinter neu gebildet. Die eindrucksvollen im Meer schwimmenden Eisberge, die immer wieder von kalbenden Gletschern der polaren Eismassen abbrechen, werden auf Grund ihrer unterschiedlichen Entstehung nicht als Meereis bezeichnet (vgl. Auflösung des Larsen-B-Schelfs).
Viele Vorgänge bei der Meereisbildung, etwa der Einfluss auf den CO2-Austausch zwischen Meerwasser und Atmosphäre, werden noch ungenügend verstanden. Klar ist hingegen, dass beim Gefrieren des Meerwassers (ab ca. –1,8° C) nur die Wassermoleküle in den Prozess einbezogen werden, während das gelöste Salz im Meerwasser zurückbleibt. Es kommt zu einer Salzanreicherung des Wassers, wodurch – zusätzlich zu den kälteren Wassertemperaturen im arktischen Bereich – das spezifische Gewicht des Wassers erhöht wird. Dieses salzreiche und kalte Wasser sinkt im Bereich des Nordatlantiks ab und treibt dadurch die globale Ozeanzirkulation an.
Das Meereis in der Arktis nimmt deutlich ab
Das Meereis in beiden Polarregionen spielt eine wichtige Rolle im Klimasystem. An der Schnittstelle zwischen Ozean und Atmosphäre gelegen, wird es von der Temperatur der Luft und des Wassers sowie von Oberflächenwinden und Meeresströmungen beeinflusst. Das Vorhandensein oder Fehlen von Meereis wiederum hat tiefgreifende Auswirkungen auf das Wasser darunter und die Luft darüber. Ist das Meer von einer Eisschicht bedeckt, wird ein wesentlich größerer Anteil der einfallenden Sonnenstrahlung wieder reflektiert. Gleichzeitig kann sich die Luftschicht über dem Eis wesentlich stärker abkühlen als über den Wasserflächen, da das Meerwasser viel an gespeicherter Wärme an die Atmosphäre abgeben und daher ausgleichend wirken kann. Durch eine Verringerung der Meereisbedeckung wird mehr Sonnenenergie vom Ozean absorbiert und mehr Wärme aus dem Ozean in die Atmosphäre abgeben, was wiederum zu einem weiteren Meereisverlust führt. Diese positive Rückkoppelung, bezeichnet auch einer der Haupttreiber, dass sich die nördlichen Polarregionen im Vergleich zum Rest der Welt schnellere Erwärmung erfahren haben.
In der Arktis erreicht die Meereisausdehnung im Allgemeinen im März ihr Jahresmaximum und im September ihr Jahresminimum. Abgesehen von diesem jährlichen Zyklus hat die Ausdehnung des arktischen Meereises in den letzten vier Jahrzehnten einen deutlichen Rückgang erlebt, der in allen Monaten zu sehen ist, aber im September am größten ist. Zwischen 1979 und 2021 ging sie im März durchschnittlich um etwa -2,6 % pro Jahrzehnt und im September um -13,4 % zurück (vgl. Abb. 1).
Der Rückgang der Meereisausdehnung verlief nicht stetig, sondern war am schnellsten in den späten 1990er und frühen 2000er Jahren. Seit 2007 war der Trend weniger klar, aber die Ausdehnung des arktischen Meereises im September blieb konstant unter dem Durchschnitt des Referenzzeitraums 1991–2020 (siehe Abb. 2). Die niedrigste seit Beginn der Aufzeichnungen verzeichnete Ausdehnung trat im September 2012 auf, während die zweitniedrigste im September 2020 erreicht wurde. Im Jahr 2021 wurde die größte September-Ausdehnung seit 2014 verzeichnet.
Der saisonale Zyklus der antarktischen Meereisausdehnung ist im Vergleich zu dem der Arktis um etwa sechs Monate verschoben, mit dem Jahresminimum im Februar oder Anfang März und dem Jahresmaximum im September. Auch der saisonale Zyklus des Meereises ist größer als in der Arktis. In der Antarktis beträgt die durchschnittliche Ausdehnung während des Monats mit dem jährlichen Meereisminimum im Allgemeinen weniger als 20 % der durchschnittlichen Ausdehnung während des Monats des jährlichen Meereismaximums. Dies ist viel weniger als der Durchschnitt von 35 %, der in der Arktis zwischen 2010 und 2019 beobachtet wurde.
Es gibt keinen eindeutigen langfristigen Trend in der gesamten Meereisausdehnung in der Antarktis, was die Kontraste der Meereisveränderungen in verschiedenen Sektoren des Südlichen Ozeans sowie komplexere Reaktionen auf den Klimawandel als in der Arktis widerspiegelt. Die Entwicklung der antarktischen Meereisausdehnung seit 1979 wurde von großen jährlichen Schwankungen und kurzfristigen Schwankungen dominiert (siehe Abb. 4). Dies war besonders ausgeprägt im letzten Jahrzehnt, in dem auf weit überdurchschnittliche Meereisausdehnungen von 2012 bis 2015 weit unterdurchschnittliche Ausdehnungen von 2016 bis 2019 folgten, einschließlich eines Rekordminimums im Jahr 2017. Dieselbe jüngste Entwicklung war auch für die September-Maxima zu sehen, wenn auch mit viel kleineren relativen Anomalien.
Zur Zeit der maximalen jährlichen Eisausdehnung im Spätwinter erstreckt sich das arktische Meereis im Mittel von 1991-2020 über 15.1 Mio. km² und das antarktische Meereis im Mittel von 1991-2020 über 19 Mio. km². In der Antarktis beträgt die durchschnittliche Ausdehnung während des Monats mit dem jährlichen Meereisminimum im Allgemeinen weniger als 20 % der durchschnittlichen Ausdehnung während des Monats des jährlichen Meereismaximums. Dies ist viel weniger als der Durchschnitt von 35 %, der in der Arktis zwischen 2010 und 2019 beobachtet wurde.
Die Lufttemperatur steigt, Windmuster verändern sich
Veränderungen der Meereisausdehnung und der Eismächtigkeiten kommen nicht nur durch die Veränderung der Lufttemperatur zustande, sondern werden auch durch die Veränderungen der großräumigen Windmuster bestimmt. Diese können für die Nordpolregion gut durch die so genannte Arktische Oszillation beschrieben werden, die die Ausprägung des polaren Tiefdruckwirbels und die Nord-Süd-Verschiebung der Polarfront erfasst. Die dadurch veränderten Windmuster können die Eisschmelze durch verstärkte oder abgeschwächte Drift des Eises in südlichere und damit wärmere Regionen deutlich beeinflussen. Auch wenn mehrere Zusammenhänge zwischen der Klimaänderung und der Meereisausdehnung derzeit nicht verstanden werden, steht außer Frage, dass sowohl die Temperaturzunahme als auch die Veränderung der atmosphärischen Zirkulation im Bereich der Arktis zu der deutlichen Abnahme der Meereisfläche geführt haben. Zurzeit kann jedoch der vom Menschen verursachte Anteil nicht genau beziffert werden.
Nachteile für das Ökosystem, Vorteile für die Wirtschaft
Eine weitere Abnahme der arktischen Meereisfläche in der Zukunft könnte zu deutlichen Veränderungen nicht nur des Erdklimas führen, sondern auch für arktische Lebens- und Wirtschaftsräume. Während von Ökologen immer wieder die Einschränkungen für tierische Lebensräume wie des Eisbären diskutiert werden, sind für die ökonomischen Vorteile wie der bessere Zugang zu marinen Bodenschätzen oder Erleichterung bei Transportwegen (z.B. eisfreie Nordostpassage) zu erwarten.
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