Permafrost
In Hochgebirgsregionen kommt dem Permafrost große Bedeutung für die Stabilität von Schutt- und Felshängen zu.
Unscheinbar aber da
Grundsätzlich spricht man von Permafrost, wenn ein Boden im Untergrund mindestens über zwei Jahre gefroren bleibt. Besonders im Hochgebirge kann man die Folgen der Erderwärmung auf die Verteilung des Permafrosts schon heute beobachten.
Wenn im Sommer der Schnee geschmolzen ist, taut auch die oberste Schicht des Permafrostbodens auf, der Permafrostkörper darunter bleibt aber gefroren. Dieser Auftaubereich, die aktive Schicht eines Permafrostbodens, nimmt in den Alpen Mächtigkeiten von ein paar wenigen Metern (ca. 0,5–11 m) ein. Die mit der Tiefe zunehmende Erdwärme bestimmt die Untergrenze des Permafrostkörpers.
Ständig gefrorener Boden rund um die Pole
Generell kann man zwei Arten von Permafrost unterscheiden: den oft mehrere hundert Meter mächtigen und häufig kontinuierlich (flächig) auftretenden Permafrost der hohen Breiten (Arktis, Antarktis) und den oft nur einige Meter mächtigen und meist diskontinuierlich (fleckig) auftretenden Permafrost des Hochgebirges.
Auf der Nordhalbkugel weisen etwa 21 Millionen Quadratkilometer oder 22 % der Landmassen Permafrost auf (Abb. 1). Davon entfallen 10,7 Millionen km² auf Gebiete mit zusammenhängenden Permafrost, wie sie in Sibirien, in Kanada und in Alaska zu finden sind. Und der Rest setzt sich aus unzusammenhängende Regionen, die auch isolierte und sporadische Permafrostvorkommen aufweisen, zusammen. Auf der Südhalbkugel sind es weniger als 1 % der Landmassen. Da in der Antarktis ein Großteil des Kontinents unter Kilometer dickem Eis liegt, werden nur Gebiete entlang der Küste und einige aus dem Eis ragende Gebirgsgipfel im Inland, also Gebiete die nicht von Gletschern bedeckt sind zu den Permafrostgebieten gezählt.
Alpiner Permafrost
In der abwechslungsreichen Landschaft des Hochgebirges ist nicht die Temperatur der Luft für das Vorkommen von Permafrost entscheidend, sondern die Temperatur der Bodenoberfläche. Diese ist im Hochgebirge stark von der einfallenden Sonneneinstrahlung sowie der Dauer und Mächtigkeit der Schneedecke abhängig. Wieviel Sonneneinstrahlung schlussendlich auf den Boden gelangt, ist wiederum maßgeblich von Hangneigung und Hangausrichtung abhängig und führt, wie man schon richtig vermutet, zu einer komplexen, kleinräumigen Verteilung. Da Permafrost im Boden oder Fels nicht sichtbar ist, müssen Indizien in detektivischer Kleinarbeit erhoben werden, um dem Phänomen auf die Spur zu kommen. Der wichtigste Zeiger ist die Temperatur an der Bodenoberfläche und vor allem in Bohrlöchern. Einfacher zu erkennen ist Permafrost, wenn er in Form von Blockgletschern auftritt. Blockgletscher sind langsam fließende Massen aus einer Mischung von Eis, Blockwerk und Schutt (Abb. 2). Gemäß Modellberechnungen weist rund 2,5 % der Gesamtfläche Österreichs einen ganzjährig gefrorenen Untergrund mit einer saisonalen Auftauschicht (eng.: active layer) auf, und weitere etwa 1,5% der Fläche unterliegen tiefgründigem saisonalem Bodenfrost mit vergleichbarer Verwitterungswirkung. Das bedeutet, dass etwa 3150 km² der Österreichischen Alpen von Permafrost beeinflusst sind (Boeckli et al., 2012). Im Vergleich dazu beträgt die vergletscherte Fläche in Österreich rund 415km².
Empfindlich auf kleinste Klimaänderungen
Verteilung und Veränderung von Permafrost werden durch die klimatischen Bedingungen bestimmt. Eine geringe Veränderung des Klimas führt zu einer deutlichen Änderung der Permafrostbedingungen, was das Phänomen ähnlich wie Gletscher zu einem Klimaindikator macht. Permafrost hat in vielen Hochgebirgsregionen eine große Bedeutung für die Stabilität von Schutt- und Felshängen, insbesondere in hohen Steillagen. Bei verschiedenen Berg- und Felsstürzen in den letzten Jahren gibt es eine Reihe von Indizien, die auf das Abschmelzen (Degradation) von Permafrost zumindest als eine der Ursachen hindeuten. Neben der Degradation des Permafrosts ist aber vor allem auch die geologische Ausgangssituation entscheidend für eine Destabilisierung hochalpiner Bereiche. Mit der immer stärkeren Erschließung der Gebirge für den Tourismus stellt die Degradation des Permafrosts auch ein bautechnisches Problem dar. Stabilität und Sicherheit von Straßen, Seilbahnen, Berghütten und Wanderwegen werden schon teilweise von diesem Umstand beeinträchtigt.
Abschmelzen des Permafrosts destabilisiert Gipfel und Hänge
Als Folge des Klimawandels ist ein flächenhaftes Abschmelzen des Permafrostes zu erwarten, wobei das Wirkungsgefüge dabei recht kompliziert ist und aus einer Temperaturänderung nicht unmittelbar auf eine Änderung des Permafrostes geschlossen werden kann. Durch das Abschmelzen des Permafrosts verliert der Untergrund an Stabilität und es kann zu Setzungen, Hangrutschungen, Kriechbewegungen oder Felsstürzen kommen. Das komplexe Wirkungsgefüge des Permafrostes im Zusammenhang mit den atmosphärischen Vorgängen, macht umfangreiche und langjährige Messprogramme notwendig.
Das Sonnblick-Observatorium
Ein besonders spektakuläres Beispiel hierfür stellt der Gipfel des Hohen Sonnblicks mit dem historischen, meteorologischen Observatorium auf 3.105 m Seehöhe dar. In diesen luftigen Höhen werden schon seit 1886 klimatologische Beobachtungen und Messungen durchgeführt. Das für die Klima- und Hochgebirgsforschung so wichtige Observatorium wäre selbst fast ein Opfer der Klimaerwärmung geworden, da der Permafrost in der Gipfelpyramide zu tauen begann und damit der stark zerklüftete Fels an Stabilität verlor. 2001 bestätigte ein geologisches Gutachten, dass der Gipfel des Sonnblicks abzustürzen droht. In einer groß angelegten Sanierung der Gipfelpyramide wurde dem Fels mit bautechnischen Maßnahmen unter die Arme gegriffen. Unter anderem wurden zwischen sechs und zehn Meter lange Stahlanker in den stabilen Felskern geschraubt (Abb. 3).
Das Sonnblick-Observatorium zählt dabei zu den wenigen Standorten in Österreich an denen die Voraussetzungen zur Untersuchung des Permafrostes, auf Grund des umfangreichen Messprogrammes der Atmosphäre und der Kryosphäre, sehr gut erfüllt sind. Im Rahmen des Projektes PERSON (Permafrost-Monitoring Sonnblick) wurde im Jahr 2006 im Auftrag des BMLFUW mit dem Permafrost-Monitoring am Sonnblick begonnen. Durch eine fortwährende Beobachtung lassen sich Veränderungen der Verbreitung und der Eigenschaften von Permafrost beobachten, dokumentieren und besser verstehen. Diese Erkenntnisse bilden eine wichtige Grundlage für eine Vorhersage der zukünftigen Entwicklung mittels Modellierungen und ermöglichen in weiterer Folge eine nachhaltige Planung, da potentielle Schadquellen frühzeitig erkannt werden.
Den Kern des Permafrost-Monitoring-Netzwerkes im Gipfelbereich des Hohen Sonnblicks bilden drei 20 m tiefe Bohrlöcher, die mit unterschiedlichen Messinstrumenten ausgestattet sind. Zudem sind zur Erfassung der Bodenoberflächentemperatur beziehungsweise der Temperatur im oberflächennahen Bereich Temperatursensoren im Bereich des Hohen Sonnblicks installiert (Livemesswerte Permafrost).
Für die Überwachung der Steinschlag- und Felssturzaktivitäten in der Nordwand des Hohen Sonnblicks und Umgebung werden seit dem Jahr 2015 kontinuierlich seismische Messungen (zeitliche Komponente) in Ergänzung mit der drohnenbasierten Photogrammeterie (räumliche Komponente) durchgeführt - weiterführende Informationen zu diesem Thema finde Sie auf Seite 46 und 47 unter: Sonnblick Broschüre 2019.
Zusätzlich wurden in Anlehnung an das geotechnische Gutachten zur Beurteilung der Standsicherheit der Materialseilbahn und des Observatoriums vier Standorte mit sogenannten Crackmetern ausgestattet. Ziel dieser Crackmeter ist es, die Öffnungsweite der Klüfte zu beobachten und den Zeitpunkt des Öffnens festzustellen. Ein Überblick des Permafrost-Monitoring-Netzwerkes im Bereich der Nordwand des Hohen Sonnblicks ist nachstehender Abbildung zu entnehmen bzw. in der Sonnblick Broschüre 2022.
Literatur:
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