Geophysik
Ein Blick ins Innere der Gletscher
Prinzipiell kann man in der angewandten Geophysik zwischen Potenzialverfahren (Gravimetrie, Geoelektrik, Magnetik, Elektromagnetik) und Wellenverfahren unterscheiden. Dieser Artikel konzentriert sich auf die glaziologische Anwendung von Wellenverfahren, bei denen Radar- oder Schallwellen zum Einsatz kommen.
Seit 1957 werden Radar-Messungen (Radio detection and ranging) in der Glaziologie verwendet. Den Startschuss bildeten Beobachtungen von beträchtlichen Flughöhenfehlern bei Landeanflügen auf das Eisschild Grönlands. Die Ursache lag in der Transparenz des Eises und dessen Schnee- und Firnauflage für die elektromagnetischen Signale des Flugzeugradars. Dieser Umstand führte zu der einen oder anderen unsanften Eislandung. Später machte man sich diese Eigenschaft des Eises zunutze, um mittels Radar die Mächtigkeit des Inlandeises der Antarktis und Grönlands zu vermessen. Radar-Messungen haben sich seitdem zu einer Standardmethode der Glaziologie entwickelt.
Radar-Methoden geben Aufschluss über Eisdicke, Eisfließen und Akkumulation
Radar-Methoden zur Erkundung des Untergrunds werden auch als Georadar, Ground Penetrating Radar (GPR), Radio Echo Sounding (RES) und in der Glaziologie als Ice Penetrating Radar (IPR) oder Ice Radar bezeichnet. Es handelt sich um ein Reflexionsverfahren, bei dem kurze, hochfrequente elektromagnetische Impulse in den Untergrund abgestrahlt und die Laufzeit dieser Impulse gemessen werden. Die Wahl der Frequenz entscheidet über Eindringtiefe und Auflösung, wobei tiefere Frequenzen eine höhere Eindringtiefe, jedoch eine geringere Auflösung haben. Die ausgesandten Impulse reagieren auf die elektrischen Eigenschaften des Untergrunds, insbesondere die relative Dielektrizität εr und die elektrische Leitfähigkeit σ sind für die Ausbreitung verantwortlich.
Da man es in der Glaziologie meist mit Medien sehr geringer elektrischer Leitfähigkeit zu tun hat, ist die Ausbreitung vorwiegend eine Funktion der Dielektrizität des Untergrunds. Trifft der Impuls auf eine sprunghafte Änderung der Dielektrizität, wird ein Teil der Energie reflektiert (Abb. 1). Aufgrund des hohen Dielektrizitätskontrastes zwischen Eis (εr ≈ 3–4) und Wasser (εr ≈ 80) reagiert das Radar besonders empfindlich auf flüssiges Wasser. Diese Eigenschaft macht man sich bei der Unterscheidung von temperiertem Eis (~0° C) und kaltem Eis (<0° C) zunutze (Abb. 2). Diese Information ist für dynamische Gletschermodelle von Bedeutung, da temperiertes und kaltes Eis unterschiedliche Fließeigenschaften besitzen. Kennt man die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Untergrundes, können die gemessenen Laufzeiten überdies in Tiefen umgerechnet werden.
Neben der Bestimmung von Eisdicken und Eiseigenschaften, ist das Messen der Akkumulation eine Standardanwendung des GPR. Abbildung 3 zeigt Radar-Daten aus dem Akkumulationsgebiet der Pasterze gemessen mit einer Frequenz von 400 MHz, aus denen die einzelnen Jahresschichten deutlich hervortreten.
Seismik dringt in größere Tiefen vor
Die Seismik ist wie die Radar-Methode ein Wellenverfahren, bei der die Laufzeit der ausgesandten Signale gemessen wird. In der Seismik arbeitet man allerdings mit der Ausbreitung von Schallwellen im Untergrund. Die Schallwellen können dabei aktiv, z.B. durch eine Sprengung (Abb. 4), angeregt werden oder man beobachtet passiv Schallwellen, die z.B. durch interne Bruchvorgänge entstehen. Eine Schallwelle wird an Grenzen, an denen sich die mechanischen Eigenschaften des Übertragungsmediums sprunghaft ändern, reflektiert.
Die aktive Seismik ist verglichen zu Radar-Applikationen relativ aufwändig, bietet aber höhere Eindringtiefen. Entlang eines Profils werden in regelmäßigen Abständen Schwingungsaufnehmer (Geophone) ausgelegt und mit einem Kabel verbunden (Abb. 4). Je nachdem, ob man bei der Auswertung der Einzelmessungen nur die Ersteinsätze oder auch die Reflexionen berücksichtigt, spricht man von Refraktions- bzw. Reflexionsseismik. Die Summe aller einzelnen Messungen ergibt ein Abbild des Untergrunds (Abb. 5). Genaue Analysen von Seismik- und GPR-Daten können neben den Standardanwendungen wertvolle Informationen zur Glazialhydrologie und der Geologie des Gletscherbetts geben, die für das Verständnis der Fließdynamik essenziell sind.
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