Tiefseebohrkerne

Jahrhundertmillionen am Meeresgrund

In der Paläoklimaforschung stellen Tiefseebohrkerne neben Eisbohrkernen ein wichtiges Fundament für die Rekonstruktion vergangener Klimazustände dar. Sie blicken im Vergleich zu diesen länger, bis zu 200 Millionen Jahre, in die Vergangenheit, weisen aber gleichzeitig größere Unsicherheiten in der Datierung auf.

Am Meeresgrund lagert sich über Millionen von Jahren Material ab. Die am Meeresboden angesammelten Ablagerungsgesteine (maritime Sedimente) haben unterschiedlichen Ursprung und werden dementsprechend unterteilt: biogene (abgestorbene Organismen), lithogene (Gesteinstücke), hydrogene (im Salzwasser gelöste chemische Substanzen) und kosmische (Meteoriten) Sedimente. Um zu verstehen, welche Arten von Sedimenten sich an welchen Orten am Meeresboden ablagern, sind neben der Quelle, der Transportweg, die Materialzufuhrmenge und mögliche Abbauprozesse am Ozeanboden wichtig.

Versteinerte Ablagerungen

Die während der Bohrungen gewonnenen Sedimente werden auf unterschiedliche Weise analysiert. Dabei können Zusammensetzung, Größe, Form und Art von lithogenen Sedimenten Aufschluss über Änderungen in der Ozeanzirkulation geben. Biogene Sedimente hingegen geben auf direktem Weg Auskunft über die geografische Verbreitung verschiedener Lebewesen. Indirekt können die chemischen Inhaltsstoffe analysiert werden, welche Auskunft über vergangene Klimaschwankungen geben.

Dies kann beispielsweise über die in fossilen Skeletten in Kalk (CaCO3) gebundenen Sauerstoffisotopen geschehen. Dabei rekonstruiert man mit Hilfe des Verhältnisses (δ18O) der stabilen Sauerstoffisotopen 18O und 16O vergangene Temperaturschwankungen. Dieser Zusammenhang kann folgendermaßen verdeutlicht werden: Wie viel Wasser an der Meeresoberfläche verdunstet, hängt von der Lufttemperatur ab, wobei das verdunstete Wasser bevorzugt die leichteren 16O-Isotopen enthält. Bei starker Verdunstung bleiben größere Mengen von 18O im Oberflächenwasser zurück, welches sich dann in Mikroorganismen ansammelt und in den Sedimenten abgelagert wird. Ähnliche Überlegungen kann man z. B. auch für den Schmelzwasserabfluss von Eisschilden anstellen.

Bei welcher Temperatur verdunstete das Wasser vor 100 Mio. Jahren?

Diese Abhängigkeiten werden dazu verwendet, das δ18O in Temperatur umzurechnen, wie dies für die letzten 100 Millionen Jahre in Abbildung 1 dargestellt wird. Deutlich sichtbar ist ein genereller Abkühlungstrend, beginnend nach dem Eozän-Klimaoptimum. Er ist von einigen abrupten Klimaänderungen, welche mit wachsenden und schmelzenden Eismassen in Verbindung stehen, gezeichnet.

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Abb. 1: Klima aus Tiefseebohrkernen – Quelle und Ergebnis. Links: Reste der Kalkschalen von Foraminiferen (gehäusetragenden Einzellern) unter dem Mikroskop. Rechts: Rekonstruktion der globalen Mitteltemperatur der bodennahen Atmosphäre der letzten 100 Millionen Jahre. Die y-Achse zeigt die Abweichungen zum heutigen Temperaturniveau. (Huber u.a. 2000, bearbeitet).

Ein Forschungsschiff hebt wahre Schätze

Die ersten Tiefseebohrungen wurden 1961 nahe der kalifornischen Küste durchgeführt. Einige Jahre später wurde das JOIDES-Projekt (Joint Oceanographic Institutions for Deep Earth Sampling) ins Leben gerufen, um weitere Bohrungen an der Küste von Florida durchzuführen und das Forschungsschiff Golmar Challenger für 15 Jahre auf Erkundungsreise zu schicken. Die Ergebnisse dieser Bohrungen haben u. a. dazu beigetragen, Wegeners Theorie der Plattenverschiebung zu bestätigen. Einige Jahre später startete das Ocean Drilling Project, welches mit dem technisch ausgefeilten Bohrschiff JOIDES Resolution weitere zehn Jahre auf Forschungsmission den Untergrund der Ozeane erkundete. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse wirkten sich auf die Erforschung globaler Klimaschwankungen wie auch auf die mögliche Vorhersagbarkeit von Erdbeben und die Erkundung von Öl- und Mineralvorkommen aus.

 

Literatur:

Hsü K.J. (1982): Ein Schiff revolutioniert die Wissenschaft. Die Forschungsreisen der Glomar Challenger. Hamburg: Hoffmann und Campe, 303 Seiten, ISBN 978-3-455-08752-9

Huber B.T., McLeod K.G., Wing S.L. (2000): Warm climates in earth history. Cambridge: Cambridge University Press, 462 Seiten, ISBN 9780521641425

Lisiecki L.E., Raymo M.E. (2005): A Pliocene-Pleistocene stack of 57 globally distributed benthic D18O records. Paleoceanography 20, PA1003, doi:10.1029/2004PA001071

Zachos J., Pagani M., Sloan L., Thomas E., Billups K. (2001): Trends, rhythms, and aberrations in global climate 65 Ma to present. Science 292, 686–693, doi:10.1126/science.1059412

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