Hochwasser
Der Klimawandel erhöht das Hochwasserrisiko in manchen Regionen und reduziert es in anderen.
Steigt das Hochwasserrisiko durch den Klimawandel?
Es gibt Situationen, wo dies klar der Fall ist (z.B. bei Küstenhochwassern durch den Anstieg des Meeresspiegels), andere Situationen, wo dies in der Regel nicht der Fall ist (z.B. bei Hochwassern durch Schneeschmelze), und Situationen, wo das noch nicht abschließend geklärt ist (z.B. bei Sturzfluten durch Starkregen). Eine differenzierte Sichtweise ist erforderlich.
Hochwasser ist nicht Hochwasser
Überflutungen können verschiedene Ursachen haben. Küstenhochwasser können durch Stürme, wie die Nordsee-Sturmflut im Februar 1953, ausgelöst werden. Hochwasser an der Donau waren früher oft auf Eisstoß zurückzuführen, z.B. im Februar 1830, aber heute lassen höhere Lufttemperaturen und Flusskraftwerke die Bildung großer Eisstöße nicht mehr zu. Flusshochwasser werden jetzt meist durch großräumige Niederschläge verursacht, oft verbunden mit sogenannten Vb-Wetterlagen, bei denen feuchte Luft aus dem Mittelmeerraum herantransportiert wird, wie beim Donauhochwasser im Juni 2013. Entscheidend ist dabei nicht nur die Niederschlagsmenge, sondern auch die Feuchtigkeit der Böden. Wenn sie trocken sind, versickert das meiste Regenwasser. Wenn sie hingegen nass sind, fließt das meiste Wasser ab, und das Hochwasser kann dann wirklich gefährlich werden. Eine Schneedecke im Gebiet erhöht die Bodenfeuchtigkeit zusätzlich, wie im März 2006 an der March. Eine dritte Gruppe von Hochwassern sind Sturzfluten, die durch heftige Gewitter entstehen (konvektive Ereignisse), oft in Verbindung mit Hangrutschungen und Muren, wie im Juli 2021 in Hallein. Bei der Beurteilung des Hochwasserrisikos sind die Ereignisse deshalb nach ihren auslösenden Prozessen zu unterscheiden.
Hochwasser in kleinen und großen Gebieten
Bäche mit kleinen Einzugsgebieten von wenigen Hektaren reagieren rasch auf intensive Niederschläge. Deshalb sind konvektive Ereignisse mit hohen Niederschlagsintensitäten, kurzer Dauer und kleiner räumlicher Ausdehnung am bedeutendsten, die erwähnten Sturzfluten. Die generelle Überlegung zum Klimawandel basiert darauf, dass nach der Beziehung von Clausius-Clapeyron das Wasserspeichervermögen der Atmosphäre um 7% pro Grad Temperaturerhöhung ansteigt. Bei sonst gleichen Verhältnissen entspräche dies einer ebenso großen Zunahme der Starkniederschläge, und einer mindestens ebenso großen Zunahme der Hochwasser. Messungen bestätigen diesen Zusammenhang zwischen konvektivem Niederschlag und Lufttemperatur (Fowler et al. 2021). Eine allgemeine Einschätzung ist jedoch schwierig, da die derzeitige Datenlage nicht ausreichend ist. Erforderlich wären lange Messreihen des Niederschlags mit einer Auflösung von einer Stunde oder weniger, und lange Messreihen des Hochwasserabflusses in kleinen Gebieten. Dennoch sprechen die genannten Gründe dafür, dass der Klimawandel die Hochwassergefahr in kleinen Einzugsgebieten tatsächlich erhöhen kann.
In den größeren Einzugsgebieten von wenigen bis zu Tausenden Quadratkilometern, die langsamer reagieren, ist die Situation insofern anders, als nicht konvektive Ereignisse maßgebend sind, sondern großräumige Niederschläge von längerer Dauer und geringerer Intensität. Die Datenbasis ist hier wesentlich besser. Die Veränderungen der Flusshochwasser in mittleren und großen Einzugsgebieten können durch langjährige Messungen des Abflusses (Wasservolumen pro Sekunde) beurteilt werden. Die Auswertung vieler solcher Messreihen in Europa zeigt Abb. 1. Es gibt sehr klare Veränderungsmuster. In Nordwesteuropa hat sich die mittlere Hochwasserspitze für Messstationen mit signifikanten Änderungen um mehr als 5 % pro Dekade erhöht. Im Osten und Süden gibt es Rückgänge in ähnlicher Größenordnung.
Warum verändern sich die Hochwasser?
Viele der großen Hochwasser in Mitteleuropa werden durch Vb-Wetterlagen verursacht, und deswegen wurde befürchtet, dass die Zunahme der Hochwasser mit einer größeren Häufigkeit solcher Wetterlagen zusammenhängt. Eine Auswertung atmosphärischer Reanalysedaten (Modellrechnungen für die Vergangenheit) zeigt jedoch, dass die Häufigkeit von Tiefdruckgebieten mit Vb-Zugbahnen in den 1960er Jahren hoch war und seitdem auf einem niedrigeren Niveau geblieben ist (Abb. 2). Andererseits wurde auch festgestellt, dass derartige Wetterlagen viel größere Extremniederschläge produzieren als andere Tiefdrucksituationen, mit etwas steigender Tendenz. Andere Niederschlagsänderungen in den letzten Jahren können eindeutiger mit der atmosphärischen Zirkulation in Verbindung gebracht werden. Eine Ausdehnung der Hadley-Zelle (d. h. aufsteigende Luft entlang des Äquators, die bei 15-30° nördlicher Breite absinkt) in Richtung Norden hat zu einer Verschiebung der Zugbahnen geführt (Xian et al., 2021), die dazu beiträgt, dass die Niederschläge im Süden Europas ab-nehmen und im Norden zunehmen, in Übereinstimmung mit den Hochwassertrends in Abb. 1.
Extreme Niederschläge spielen eine zentrale Rolle bei den Veränderungen der Flusshochwasser, aber auch Bodenfeuchte und Schneeprozesse sind sehr wichtig. Wäre Hochwasser ausschließlich vom Starkniederschlag bestimmt, müssten sie gleichzeitig auftreten, was aber nicht der Fall ist (Abb. 3). Hochwasser in Nordwesteuropa treten normalerweise im Winter auf, einige Wochen nach den häufigsten Starkregen, wenn der Boden feuchter ist. In Nordeuropa treten die relevantesten Hochwasser im Frühjahr infolge der Schneeschmelze auf, während die Niederschläge im Sommer am stärksten sind. Auch in den anderen Regionen Europas, einschließlich Österreich, bestimmt das Wechselspiel von Niederschlag, Bodenfeuchte und Schnee innerhalb des Jahres die Hochwasser und seine Veränderungen (Kemter et al., 2020). In Nordwesteuropa ist die Zunahme von Starkniederschlägen der Hauptgrund für die steigende Hochwassergefahr, in Südeuropa haben die trockeneren Böden aufgrund erhöhter Verdunstung die Hochwasserabflüsse reduziert, und in Osteuropa führen die höheren Temperaturen zu weniger Schneeschmelze und kleineren Schneeschmelzhochwassern (Bertola et al., 2021).
Hochwasserreiche und hochwasserarme Perioden
Ein frappierendes Phänomen ist weltweit zu beobachten und hängt mit der Kopplung von Ozean und Atmosphäre zusammen: Es gibt hochwasserarme und hochwasserreiche Perioden. In den letzteren sind die Hochwasser größer und häufiger als sonst. Abb. 4 zeigt die hochwasserreichen Perioden in Europa der letzten 500 Jahren abgeleitet aus Chroniken, Annalen und Rechtsakten. Die schwerste Hochwasserperiode war 1760–1800 und umfasste den größten Teil Europas, gefolgt von 1840–1870 und der jüngsten Periode 1990–2016, die noch andauern dürfte. Erstaunlicherweise waren die meisten dieser Hochwasserperioden etwa 0,3 °C kälter als die Intervalle dazwischen (Blöschl et al., 2020). Im Gegensatz dazu waren die letzten drei Jahrzehnte etwa 1,4 °C wärmer. Während die höhere Wasserhaltekapazität einer wärmeren Atmosphäre (nach der Beziehung von Clausius-Clapeyron) manchmal als Hauptgrund für zunehmende Überflutungen angeführt wird, zeigen diese Ergebnisse, dass dies – zumindest für mittlere und große Einzugsgebiete – nicht der Fall ist, und die dynamische Zirkulation der Atmosphäre, in Verbindung mit der Bodenfeuchte und dem Schnee, wichtiger ist.
Nicht nur der Klimawandel beeinflusst die Hochwasser
Auch Landnutzung und Wasserbauten haben einen Einfluss (Blöschl, 2022a). Die Bearbeitung landwirtschaftlicher Flächen mit schweren Maschinen verdichtet den Boden und erhöht den Oberflächenabfluss. Dies ist jedoch nur für kleine Gebiete relevant, nicht aber für ganze Flussgebiete, in denen der Hochwasser auslösende Abfluss auf Sättigungsflächen gebildet wird, die nicht von den Bodeneigenschaften abhängen (Abb. 5). Zudem nimmt der Einfluss der Landnutzung generell mit der Größe des Ereignisses ab. Skipisten oder Siedlungsflächen können lokal Hochwasser verstärken, aber die Auswirkungen auf ganze Flussgebiete sind aufgrund des geringen Flächenanteils klein. Flussregulierungen zum rascheren Abführen der Wassermassen und Hochwasserdämme reduzieren am Ort der Maßnahme zwar das Hochwasserrisiko (dafür werden sie ja gebaut), an der darunterliegenden Flussstrecke können sie aber Hochwasser erhöhen, da weniger Wasser am Ort der Maßnahme zurückgehalten wird. Wie in Abb. 5 dargestellt, kann der Klimawandel die Hochwassergefahr für alle Einzugsgebietsgrößen beeinflussen, durchaus stärker als Landnutzung und Wasserbauten. Der Nettoeffekt all dieser Änderungen für Österreich ist in Abb. 6 dargestellt. Vor allem in Gebieten kleiner 300km² im Norden Österreichs sind die Trends der Hochwasserabflüsse zunehmend (mit durchschnittlich etwa 5-10% pro Dekade). Es spricht einiges dafür, dass sich dieser Trend, möglicherweise abgeschwächt, in der Zukunft fortsetzt (Blöschl et al., 2018, 2022a). Eine Abschwächung könnte sich daraus erklären, dass in der Vergangenheit vor allem die Sommerhochwasser zugenommen haben, Klimamodelle hingegen eine Zunahme der Winterniederschläge prognostizieren (Blöschl et al., 2018).
Wie können wir uns vor größeren Hochwassern schützen?
Österreich verfolgt einen integrierten Ansatz des Hochwasserrisikomanagements, bei dem das Risiko möglichst gering gehalten werden soll durch ein sinnvolles Zusammenwirken von wasserwirtschaftlichen, raum-planerischen, bautechnischen, organisatorischen und bewusstseinsbildenden Maßnahmen. Dabei wird im Sinne von „nach dem Hochwasser ist vor dem Hochwasser“ der Hochwasserrisiko-Kreislauf betrachtet, mit Vorsorge, Schutz, Bewusstseinsbildung, Vorbereitung und Nachsorge (Abb. 7). Die Vorsorge umfasst z.B. die Raumplanung, bei der Hochwasserrisikoflächen (Blöschl et al., 2022b; hora.gv.at/) als Bauland vermieden werden, und den Umgang mit dem Restrisiko sehr extremer Ereignisse. Grundsätzlich wird versucht, möglichst viel Wasser im Gebiet zurückzuhalten, um Hochwasser zu reduzieren. In kleinen Einzugsgebieten sind dafür Hochwasserrückhaltebecken gut geeignet. Aufforstung reduziert hingegen die Gefahr großer Hochwasser nicht, auch wenn sie aus anderen Gründen (z.B. Schutzwald vor Lawinen und Hangrutschungen) wünschenswert ist. Ähnliches gilt für die Renaturierung von Flüssen, da das gewonnene Rückhaltevolumen in der Regel klein ist. Für die größeren Flüsse zeigte etwa das Donauhochwasser 2013 wie wichtig funktionsfähige Dämme sind, und zur rechtzeitigen Planung der Katastrophenabwehr (u.a. durch die Feuerwehr) ist eine zuverlässige Hochwasserfrühwarnung essentiell. In der Praxis ist der sinnvolle Mix all dieser Maßnahmen entscheidend, um die durch den Klimawandel verursachten Veränderungen des Hochwasserrisikos abzufedern.
Literatur
Wir danken dem Gastautor Univ. Prof. Günter Blöschl von der Technischen Universität Wien.
Bertola, M. et al. (2021) Do small and large floods have the same drivers of change? A regional attribution analysis in Europe. Hydrology and Earth System Sciences, 25, 1347-1364, https://doi.org/10.5194/hess-25-1347-2021
Blöschl, G. et al. (2015) Neue Methoden für das Hochwasserrisikomanagement. Österreichische Ingenieur- und Architekten-Zeitschrift, 160, 15-27.
Blöschl, G. et al. (2017) Changing climate shifts timing of European floods. Science, 357 (6351) 588-590, doi: 10.1126/science.aan2506
Blöschl, G. et al. (2018) Auswirkungen der Klimaänderung auf Österreichs Wasserwirtschaft - ein aktualisierter Statusbericht. Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft, 70, 462-473, https://doi.org/10.1007/s00506-018-0498-0
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Blöschl, G. et al. (2020) Current European flood-rich period exceptional compared with past 500 years. Nature, 583 (7817), 560–566. https://doi.org/10.1038/s41586-020-2478-3
Blöschl, G. et al. (2022a) Three hypotheses on changing river flood hazards, Hydrology and Earth System Sciences Discussions, https://doi.org/10.5194/hess-2022-232
Blöschl, G. et al. (2022b) HOchwasserRisikozonierung Austria 3.0 (HORA 3.0). Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft, 74, 212–223. https://doi.org/10.1007/s00506-022-00848-7
Fowler, H. J. et al. (2021) Anthropogenic intensification of short-duration rainfall extremes, Nature Reviews Earth & Environment, 2, 107–122, https://www.nature.com/articles/s43017-020-00128-6
Hofstätter and Blöschl (2019) Vb cyclones synchronized with the Arctic-/North Atlantic Oscillation. Journal of Geophysical Research: Atmospheres, 124, 3259-3278. https://doi.org/10.1029/2018JD029420
Kemter, M. et al. (2020) Joint trends in flood magnitudes and spatial extents across Europe. Geophysical Research Letters, 47, e2020GL087464. https://doi.org/10.1029/2020GL087464
Viglione, A. et al. (2016) Attribution of regional flood changes based on scaling fingerprints. Water Resources Research, 52, 5322-5340, doi: 10.1002/2016WR019036
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