Schnee

Die Abnahme des Schneeanteils am Gesamtniederschlag ist deutlich messbar und trifft Österreich als Wintersportland besonders hart.

Kurzfassung:

Globale Änderungen in der saisonalen Schnee- und Eisbedeckung sowie im Permafrost können das Klima über verschiedene Rückkopplungsmechanismen beeinflussen. Im Alpenland Österreich gab es seit 1895 die größten Änderungen in der winterlichen Schneebedeckung in den 1980er Jahren. Wie in der Vergangenheit werden auch zukünftig die Änderungen eng an die Seehöhe gekoppelt sein. Bei fortschreitender Erwärmung werden vor allem in Regionen unterhalb von 2000 m Seehöhe die klimatologischen Rahmenbedingungen für die natürliche winterliche Schneedeckenentwicklung ungünstiger werden.

Folgenschwere Schneeschmelze

Positive Rückkopplung: Die saisonale Schneedecke bedeckt zur Zeit des Wintermaximums durchschnittlich 47 Mio. km², wovon 98 % auf der Nordhalbkugel liegen. Die Schneedecke reagiert sehr empfindlich auf Klimaänderungen, wobei sie durch die Fähigkeit Sonnenenergie zu reflektieren und Wasser zu speichern auch in Wechselwirkung mit dem Klima steht.

Aufgrund des Einflusses der Schneedecke auf den globalen Energie- und Wasserhaushalt spielt ihre räumliche Ausdehnung eine wichtige Rolle für das Klima. Frischer, weißer Schnee reflektiert 80 % bis 90 % der Sonneneinstrahlung. Im Vergleich dazu reflektieren Vegetation oder Boden nur 10 % bis 20 %. Nimmt die räumliche Ausdehnung der winterlichen Schneedecke ab, wird weniger Energie ins Weltall reflektiert und anstatt dessen von der schneefreien Erdoberfläche absorbiert. Der zusätzliche Energieeintrag trägt zu einer Erwärmung der Erde und somit des Klimas bei. Dieser sich selbst verstärkende Prozess wird Eis-Albedo-Rückkopplung bezeichnet und gehört zur Gruppe der positiven Rückkopplungen des Klimas. Neben der globalen Änderung der Schnee- und Eisbedeckung, wird die zukünftige Temperaturerhöhung auch im Allgemeinen zu einem verstärkten Auftauen des Permafrostes führen (Boden oder Fels, dessen Temperatur kleiner oder gleich 0° C ist über mindestens zwei aufeinanderfolgende Jahre). Die damit verbundene Freisetzung von Treibhausgasen (z.B.: Methan) kann wiederum die globale Temperaturerhöhung beschleunigen. Schnell wird klar, dass es sich auch hierbei um einen positiven Rückkopplungsmechanismus handelt, der noch nicht zur Gänze verstanden und auch in den Klimamodellen noch nicht vollständig integriert ist.

Winterliche Schneedeckenentwicklung in Österreich

Vergangenheit: Innerhalb der kalten Jahreszeit bestimmen vorherrschende Wettersysteme und atmosphärische Luftdruckverteilungen den Charakter einzelner Wintermonate. Aufgrund dessen ist die Variabilität (z.B.: kalt-warm, feucht-trocken) in den Wintermonaten naturgemäß höher als im Sommer. Die winterliche Schneedecke weist im Allgemeinen große natürliche Schwankungen auf und reagiert innerhalb unterschiedlicher Höhenlagen und Regionen sensibel auf Klimaänderungen. Die hohe zeitliche (Jahr-zu-Jahr) und räumliche (nördlich/südlich des Alpenhauptkammes; West-Ost) Variabilität kann den langfristigen Trend überdecken und Aussagen betreffend Änderungen erschweren. Die winterliche Schneedecke wird in Österreich am stärksten von Lufttemperatur und Niederschlag beeinflusst, neben Wind (Umverteilung), Hangneigung und -ausrichtung (Strahlung).

5-6_Abb1
Abbildung 1: Schneedeckendauer (Anzahl der Tage mit einer Schneehöhe von mindestens 1 cm) an der Klimastation See im Paznaun (Tirol) in 1040 m Seehöhe innerhalb der erweiterten Wintersaison November bis April. Die Zeitreihe ist mit einem Gauss-Tiefpassfilter geglättet.

 

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass seit Beginn der manuellen Schneemessungen im Jahr 1895 die größten Änderungen in den 1980er Jahren stattgefunden haben. Gegen Mitte/Ende der 1980er Jahre ist die winterliche Lufttemperatur abrupt angestiegen. Ausgehend von diesem hohen Niveau gab es bis ca. 2010 eine Phase der Abkühlung. In den letzten Jahren sind wieder vermehrt wärmere Winter aufgetreten. Bis in die 1980er Jahre war das jährliche Temperaturniveau allgemein niedriger als heute. Es wird angenommen, dass schwefelige Aerosole in der Atmosphäre (durch Verbrennung von Kohle, usw.) sowie auch natürliche Schwankungen im Klimasystem für diese tieferen Lufttemperaturen gesorgt haben. Der Effekt des anthropogenen Treibhausgasausstoßes ist unabhängig davon im Hintergrund weitergelaufen. Die abrupte Änderung des quasistationären klimatologischen Zustandes in den 1980er Jahren und die langfristig beobachtete Erwärmung führen dazu, dass seit 1961 die Schneehöhe an den Klimastationen speziell in den tiefen und mittleren Lagen im Kernwinter (DJF) und in der erweiterten Saison von November bis April (NDJFMA) signifikant abgenommen hat (siehe Abbildungen 2 bis 4). Die Stärke der negativen Änderungen nimmt mit zunehmender Seehöhe ab. Der Grund dafür ist, dass mit zunehmender Seehöhe (Übergangsbereich: 1000 m bis 2000 m) der Einfluss der Lufttemperatur auf die natürliche winterliche Schneedeckenentwicklung abnimmt und die Niederschlagssumme an Bedeutung gewinnt. Darüber hinaus führt die beobachtete Temperaturerhöhung in den Randmonaten November, März und April zu einer stärkeren Abnahme der Schneehöhe oberhalb von 1000 m Seehöhe. Die negativen Trends seit 1961 sind nicht einzig auf die schneereichen Winter zwischen den 1960er und 1980er Jahren zurückzuführen, sondern stehen in engem Zusammenhang mit der fortschreitenden Temperaturerhöhung speziell nach den 1980er Jahren. Der Vergleich der Untersuchungszeiträume 1961 bis 2000 und 1961 bis 2021 verdeutlicht dies. Die Trendstärke für die Periode 1895 bis 2021 ist im Allgemeinen schwächer ausgeprägt, da die Erwärmung durch das anthropogene Forcing (Strahlungsantrieb) erst seit den 1980er Jahren einen markanten Einfluss auf den winterlichen Schneedeckenverlauf in Österreich hat.

5-6_Abb2
Abbildung 2: Trendanalyse nach Mann–Kendall (MK–TFPW, Irrtumswahrscheinlichkeit α=0.05) der saisonal (Dezember bis Februar DJF, oben; November bis April NDJFMA, unten) gemittelten Gesamtschneehöhe (linke Spalte) sowie der Schneedeckendauer (Anzahl der Tage mit einer Schneehöhe von mindestens 1 cm, rechte Spalte) bezüglich der Periode 1961 bis 2000 für 86 homogenisierte Langzeitmessreihen in Österreich (Stationshöhe: 121 m bis 2140 m). Signifikant negative Trends sind in Rot dargestellt. Stationsmessnetze: GeoSphere Austria und Hydrographisches Zentralbüro (HZB).

 

5-6_Abb3
Abbildung 3: Gleich wie Abbildung 2, aber für den Untersuchungszeitraum 1961 bis 2021.

 

5-6_Abb4
Abbildung 4: Gleich wie Abbildung 3, aber in Abhängigkeit der Höhenlage der Klimastationen.

 

Zukunft: Klimamodelle projizieren bis in die nahe (2021 bis 2050) und ferne (2070 bis 2099) Zukunft sowohl eine Temperaturerhöhung über alle Seehöhen als auch mehrheitlich eine Zunahme der winterlichen Niederschlagssumme, im Vergleich zu heutigen Verhältnissen (1991 bis 2020). Inwieweit sich die Niederschlagszunahme auf die natürliche Schneehöhe auswirken wird, ist abhängig von Seehöhe und Stärke des zukünftigen Temperaturanstieges. Die projizierte Erwärmung wird bis in die nahe Zukunft (2021 bis 2050) zu einer spürbaren Abnahme der Schneedeckendauer unterhalb von 1500 m bis 2000 m Seehöhe führen (-7 % im Flächenmittel). In den Hochlagen werden die winterlichen Bedingungen ähnlich sein, wie wir sie heutzutage erleben (siehe Abbildung 2, links).

In Abhängigkeit der weiteren Treibhausgasemissionen (also davon, welches Klima-Szenario betrachtet wird), ergeben sich für die ferne Zukunft (2070 bis 2099) unterschiedliche Auswirkungen auf die winterliche Schneedeckenentwicklung in Österreich, im Vergleich zu heute (1991 bis 2020). Im "Worst Case"-Szenario (kein Klimaschutz, ungebremster Treibhausgasausstoß) wird die projizierte markante Zunahme der Lufttemperatur im Kernwinter zu einer dramatischen Abnahme der Schneedeckendauer führen (-45 % im Flächenmittel), wobei die Abnahmen in tieferen Lagen stärker werden (siehe Abbildungen 2, rechts und 3). Regionen unterhalb von 1500 m bis 2000 m werden besonders betroffen sein. Zum Beispiel betragen die projizierten Abnahmen in Lagen unterhalb von 500 m Seehöhe bis zu -70 %. Im Szenario mit begrenztem Klimaschutz wird die Schneedeckendauer im Flächenmittel um ein Viertel abnehmen. Die wichtigsten Auswirkungen der Erwärmung in Bezug auf die natürliche winterliche Schneedeckenentwicklung sind: verstärkte Schneeschmelze, Zunahme des Flüssigwasseranteils am Niederschlag, Verschiebung der Schneefallgrenze in höhere Lagen, späterer Einschneizeitpunkt und früheres Ausapern. Im Hochgebirge könnte die projizierte Niederschlagszunahme in den kalten Monaten für eine mit zunehmender Seehöhe schwächer werdende Abnahme der Schneehöhe sorgen. Wird das 2-Grad-Ziel erreicht (ambitionierter Klimaschutz, Pariser Klimaabkommen 2016 - Begrenzung der globalen Erderwärmung auf unter 2° C bis Ende des 21. Jahrhunderts, im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter), so fallen die negativen Änderungen der Schneedeckendauer deutlich geringer aus. Der Klimawandel wird in Lagen unterhalb von 2000 m Seehöhe dennoch zu ungünstigeren Bedingungen im Winter führen (Abnahme der Schneedeckendauer um bis zu -12 % im Flächenmittel). Die Ergebnisse zeigen die Wichtigkeit, dass sowohl drastische klimapolitische als auch gesellschaftspolitische Maßnahmen auf regionaler, nationaler und globaler Ebene rasch umgesetzt werden müssen.

Das GeoSphere Austria-Schneedeckenmodell SNOWGRID-CL wurde im Rahmen des ARCP Projektes FuSE-AT verwendet, um Klima-Szenarien schneerelevanter Größen für Österreich zu berechnen.

5-6_Abb5
Abbildung 5: Boxplots zu den projizierten Änderungen der Schneedeckendauer (Anzahl der Tage mit einer Schneehöhe von mindestens 1 cm) für die nahe Zukunft (2021 bis 2050, links) und ferne Zukunft (2070 bis 2099, rechts) über unterschiedliche Höhenbereiche in Österreich im Kernwinter (DJF), im Vergleich zur Klimaperiode 1991 bis 2020. Rot: „Worst Case“-Szenario, kein Klimaschutz (RCP8.5); blau: begrenzter Klimaschutz (RCP4.5); grün: 2-Grad-Ziel Pariser Klimaabkommen 2016, ambitionierter Klimaschutz (RCP2.6).

 

5-6_Abb6
Abbildung 6: Projizierte Änderung (Ensemble-Median) der Schneedeckendauer (Anzahl der Tage mit einer Schneehöhe von mindestens 1 cm) für die ferne Zukunft (2070 bis 2099 vs. 1991 bis 2020) bei Einhaltung des 2-Grad-Ziels (RCP2.6, links) und im „Worst Case“-Szenario (RCP8.5, rechts). Die kleinen Grafiken am rechten Oberrand stellen das Minimum und Maximum des Klimamodell-Ensembles dar. Das Flächenmittel ist links unten angegeben. Wintersaison ist Kernwinter DJF.

 

 

Literatur:

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