Emissionsszenarien
Die Emissionsszenarien des Weltklimarats (IPCC) beschreiben mögliche Pfade der Gesellschaftsentwicklung im 21. Jahrhundert.
Mögliche Abbilder der Zukunft
Ein Emissionsszenario ist eine Abschätzung des zukünftigen Ausstoßes anthropogener Treibhausgase. Durch die Definition mehrerer Versionen wird es möglich, eine Bandbreite denkbarer Entwicklungen abzudecken. Diese Szenarien bilden die Grundlage für die Simulation des zukünftigen Klimas mit Hilfe von globalen Zirkulationsmodellen.
Im Jahr 2016 wurden vom Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC, Weltklimarat) fünf sozioökonomische Narrative bzw. Basis-Szenarien (Shared Socioeconomic Pathways (SSPs)) entworfen, die die Beziehung zwischen Bevölkerungsentwicklung, Wirtschaftsentwicklung sowie technologischem Fortschritt mit der Entwicklung des Treibhausgasausstoßes beschreiben. Jeder Entwicklungspfad repräsentiert verschiedene demografische, soziale, ökonomische, technologische und ökologische Entwicklungen. Politische Entscheidungen steuern ihre Ausprägung erheblich. Die Kombination aus den fünf SSPs mit unterschiedlichen RCPs (Representative Concentration Pathways), die den zusätzlichen Strahlungsantrieb durch verschiedene CO2 Konzentration repräsentieren, führt zu einem Set an im IPCC AR6 betrachteten Szenarien. Die Beschreibung verschiedener Szenarien bietet die Möglichkeit, alternative Abbilder der Zukunft zu zeichnen, um so die Folgen bestimmter gesellschaftlicher Entwicklungen auf das Weltklima aufzuzeigen (Abb. 1)
SSP1-1.9: Der 1,5 Grad Weg
Die Welt beschreitet verstärkt einen nachhaltigen Entwicklungspfad. Die globalen Gemeinschaftsgüter werden als wichtig erachtet und bewahrt, die Grenzen natürlicher Systeme werden respektiert. Der Konsum orientiert sich verstärkt an einem geringen Material- und Energieverbrauch. Der Einsatz erneuerbarer Energien hat gesellschaftlich eine hohe Priorität und wird dementsprechend stark forciert. Die Treibhausgasemissionen werden bis 2030 radikal reduziert. Die Treibhausgaskonzentrationen nehmen danach bis zum Ende des 21. Jahrhunderts deutlich ab. Gegen Ende des Jahrhunderts gibt es keine anthropogen verursachten Treibhausgasemissionen mehr. Dies wird u.a. durch negative Emissionen (aktive Entnahme von Kohlendoxid aus der Atmosphäre) in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts erreicht. Die globale Erwärmung kann auf weniger als 1.5 °C gegenüber der vorindustriellen Zeit begrenzt werden. Die Möglichkeiten der Anpassung an die Folgen des Klimawandels kommen somit nur selten an ihre Grenzen. Zum Ausgleich der global unterschiedlichen Belastungen für einzelne Regionen existieren global abgestimmte Mechanismen zur Anpassung.
SSP1-2.6: Der 2 Grad Weg
Die Welt beschreitet verstärkt einen nachhaltigen Entwicklungspfad. Die globalen Gemeinschaftsgüter werden als wichtig erachtet und bewahrt, die Grenzen natürlicher Systeme werden respektiert. Der Konsum orientiert sich an einem geringen Material- und Energieverbrauch. Der Einsatz erneuerbarer Energien hat gesellschaftlich eine hohe Priorität und wird dementsprechend stark forciert. Die Treibhausgasemissionen werden bis zum Jahr 2030 massiv reduziert. Die Treibhausgaskonzentrationen nehmen bis zum Ende des Jahrhunderts allmählich ab. Ende des 21. Jahrhunderts gibt es keine anthropogen verursachten Treibhausgasemissionen mehr. Dieses wird u.a. erreicht durch negative Emissionen (aktive Entnahme von Kohledioxid aus der Atmosphäre) in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. Die globale Erwärmung kann auf weniger als 2°C gegenüber der vorindustriellen Zeit begrenzt werden. Es kommt jedoch zu Auswirkungen auf natürliche und sozioökonomische Systeme. Dafür existieren globale Anpassungsmechanismen zur Bewältigung von Verlusten und Schäden im globalen Süden.
SSP2-4.5: Der Mittelweg
Die bisherige Entwicklung (gemessen am Jahr 2022) setzt sich in die Zukunft fort. Die bis dahin etablierte Zusammenarbeit zwischen den Staaten wird sich jedoch nur geringfügig weiterentwickeln. Das globale Bevölkerungswachstum ist moderat und schwächt sich in der zweiten Jahrhunderthälfte ab. Umweltsysteme erfahren eine Verschlechterung. Fossile Ressourcen werden weiterhin genutzt. Die Treibhausgasemissionen erreichen um 2040 ihren Höhepunkt und werden bis zum Ende des 21. Jahrhunderts um die Hälfte reduziert. Die Herausforderungen der Anpassung werden mit zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels immer größer. Durch die geringere internationale Zusammenarbeit fehlt ein effektiver Mechanismus zum Umgang mit Verlusten und Schäden. Länder können sich nur durch gegenseitige Unterstützung vor möglicherweise existentiellen Risiken schützen.
SSP3-7.0: Der konfliktreiche Weg
Durch eine Verstärkung des Nationalismus, eine Abschwächung der internationalen Zusammenarbeit und regionaler Konflikte rücken globale Themen in den Hintergrund. Die Politik orientiert sich zunehmend an nationalen und regionalen Sicherheitsfragen. Investitionen in Bildung und technologische Entwicklung nehmen ab. Soziale Ungleichheiten nehmen zu. Die Bevölkerung in den armen Ländern wächst stark. In einigen Regionen kommt es zu starken Umweltzerstörungen, beispielsweise von Wäldern und anderen Ökosystemen. Trotz des vergleichsweise geringen Einkommenswachstums und der damit verbundenen Konsummöglichkeiten ist der Rohstoff- und Energiebedarf hoch und wird in großen Teilen mit einfach verfügbaren, fossilen Energieträgern wie Kohle gedeckt. Wirtschaftlicher Erfolg und Energieeinsatz sind stark aneinandergekoppelt. Die Treibhausgaskonzentrationen steigen bis zum Ende des 21. Jahrhunderts weiter an. Dieses Szenario stellt große Herausforderungen an die Klimawandelanpassung. Die klimatischen Veränderungen sind umfangreich. Durch die praktisch nicht vorhandene internationale Zusammenarbeit sind die Nationalstaaten weitestgehend auf sich allein gestellt. Weiterhin führt die wachsende internationale aber auch subnationale Ungleichheit zu einer dramatischen Steigerung der Verwundbarkeit einzelner Bevölkerungsgruppen. Die notwendigen transformativen Maßnahmen zur Anpassung an die Klimaänderung können nur bedingt durchgeführt werden.
SSP5-8.5: Der fossile Weg
Die soziale und ökonomische Entwicklung basiert auf der verstärkten Ausbeutung der fossilen Brennstoffressourcen mit einem energieintensiven Lebensstil weltweit. Die globale Wirtschaft wächst schnell. Das ist vor allem auf die Entwicklung in Industrie- und Schwellenländern zurückzuführen. Der Nutzung fossiler Brennstoffe wird eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz entgegengebracht, erneuerbare Energien sind hingegen wenig anerkannt. Das führt zu einer starken Erhöhung der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre. Der Anstieg der Treibhausgasemissionen hält bis zum Ende des 21. Jahrhunderts an. Die klimatischen Veränderungen sind sehr stark. Durch internationale Zusammenarbeit, die sich im Rahmen einer stark vernetzten Weltwirtschaft etabliert hat, erhalten jedoch die durch die Klimaänderung am stärksten betroffenen Länder Unterstützung. Ein effektiver Mechanismus zum Umgang mit klimabedingten Risiken jenseits der Anpassungsgrenzen ermöglicht es vielen Ländern, die notwendigen und oftmals transformativen Anpassungsmaßnahmen (zumindest teilweise) umzusetzen. Für Schäden und Verluste durch die Klimaänderung, für welche keine proaktiven Anpassungsmaßnahmen mehr greifen, existieren international abgestimmte Kompensationsmechanismen.
Literatur:
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