2.000 Jahre
Die kühle Völkerwanderungszeit wird gefolgt vom mittelalterlichen Klima-optimum, die Kleine Eiszeit vom modernen Temperaturanstieg.
Spätantike, Mittelalter, Neuzeit
Innerhalb des deutlich geringen Schwankungsbereichs des Holozäns lösten in der nachchristlichen Zeit kühlere und mildere Abschnitte einander ab: Dem Klimaoptimum der Römerzeit folgten mäßig kühle Verhältnisse in der Völkerwanderungszeit, welche vom mittelalterlichen Klimaoptimum abgelöst wurden. Die darauffolgende Kleine Eiszeit ging schließlich in den modernen Temperaturanstieg über. Im Vergleich zu älteren Abschnitten der Erdgeschichte ist die Auflösung der Klimakurven nun sehr scharf, ihre Zuverlässigkeit hoch.
Epochen mit wärmeren oder kühleren Bedingungen werden mit bestimmten historischen und gesellschaftlichen Ereignissen bzw. Entwicklungen in Verbindung gebracht und dementsprechend als günstig (siehe bspw. „Römisches Klimaoptimum“) oder eher ungünstig (z.B. „Pessimum der Völkerwanderungszeit“) bezeichnet. Allerdings besteht hinsichtlich der exakten zeitlichen Abgrenzung dieser klimatischen Epochen keine Einigkeit, vor allem aus regionalem Blickwinkel. Aktuellen Forschungsergebnissen zufolge kommt diesen vielfach verwendeten Epochen-Bezeichnungen mit milderen oder kühleren Bedingungen eine räumlich begrenzte Gültigkeit zu: Für die letzten beiden Jahrtausende konnte mittlerweile anhand von natürlichen Klimaarchiven wie Jahrringen von Bäumen, Gletschereis, Höhlenablagerungen und Seesedimenten der Verlauf der Jahresmitteltemperatur weltweit rekonstruiert werden. Darauf basierende Untersuchungen zeigen, dass in vorindustrieller Zeit ein mehrere Jahrzehnte andauernder Höhepunkt der jeweiligen wärmeren oder kühleren Epochen regional oftmals zu unterschiedlichen Zeiten aufgetreten ist. Über den gesamten Zeitraum der letzten beiden Jahrtausende betrachtet zeigt diese Temperatur-Rekonstruktionsmethode, dass der Höhepunkt der Erwärmung in den jüngsten Jahrzehnten der Gegenwart stattgefunden hat, und das global weitgehend einheitlich – was von den heute weltweit durchgeführten Temperatur-Messungen bestätigen wird. Diese Temperatur-Rekonstruktion ist hiermit ein weiterer Nachweis, dass die gegenwärtige anthropogen verursachte Erwärmung hinsichtlich ihres globalen Auftretens in den letzten 2.000 Jahren beispiellos ist.
Weinbau im Mittelalter – Gletscherhöchststände in der Kleinen Eiszeit
Ein kühler Abschnitt vom 13. bis ins 19. Jahrhundert ist als Kleine Eiszeit bekannt geworden. In verringerter solarer Strahlung und gesteigerter vulkanischer Aktivität werden die Hauptursachen dieser natürlichen Klimaschwankung gesehen. Missernten und Seuchen der frühen Neuzeit verschärften bestehende soziale Spannungen. Hexenverfolgung und französische Revolution sind in diesem Licht zu sehen. Die Alpengletscher erreichten um 1850 letztmals ihre größte Ausdehnung der letzten 10.000 Jahre.
Instrumentelle Messungen reichen in das Ende der Kleinen Eiszeit, von diesem kühlen Niveau ausgehend zeichnen sie die gegenwärtige Erwärmung nach. Der Temperaturschub seit den 1980er-Jahren, dem anthropogene Ursachen zugrunde liegen, übertrifft mittlerweile das Niveau der mittelalterlichen Wärmeperiode. Der Sechste Sachstandsbericht des Weltklimarats (IPCC) geht auf Basis aller vorliegenden Belege davon aus, dass die globale Mitteltemperatur seit 1970 rascher zugenommen hat als in irgendeinem anderen 50 Jahre umfassenden Zeitraum in den letzten zumindest 2.000 Jahren.
Die zurückliegenden beiden Jahrtausende sind wegen ihres Reichtums an Klimaproxies, besonders Jahrringchronologien von Bäumen, klimageschichtlich systematisch erfasst. Über ihr letztes Achtel bestehen aufgrund instrumenteller Messnetze kaum Zweifel. Bemerkenswerterweise hatten schon in den 1960er-Jahren und davor Pioniere der Paläoklimatologie die Hauptklimaphasen des letzten Jahrtausends hauptsächlich aus historischen Quellen in groben Zügen beschrieben.
Temperaturrekonstruktionen mittels Proxy-Daten
In den späten 1990er- und frühen 2000er-Jahren wurden Versuche unternommen, flächendeckende Temperaturrekonstruktionen des letzten Jahrtausends für Regionen, Kontinente oder die gesamte Nordhalbkugel zu erstellen. Die Abbildungen dieser Rekonstruktionen haben als „hockey-stick graphs“ („Hockeyschläger-Diagramme“) Bekanntheit erlangt, sie setzen die seit dem 19 Jahrhundert gemessene starke jüngste Erwärmung in den Kontext des vergangenen Millenniums.
Während neuere Rekonstruktionen methodische Verbesserungen aufweisen und die globale Temperaturentwicklung dadurch verlässlicher und länger in die Vergangenheit darstellen können, bleibt diese Aussage unverändert: Die aktuelle Temperaturentwicklung ist beispiellos in den vergangenen 2000 Jahren (siehe Abbildung 1).
Rekonstruktionen des Jahresmittels oder saisonaler Temperaturmittel?
Es ist eine Voraussetzung für die Abschätzung des zukünftigen Klimas mittels Klimamodellen, dass Modellsimulationen die Klimavariabilität in der Vergangenheit hinreichend gut abbilden. Die Unterschiede in den Ergebnissen von Klima-Modellläufen für die Vergangenheit im Vergleich zu Proxy-basierten Temperatur-Rekonstruktionen wurden deshalb in den letzten Jahren in der Klimawissenschaft intensiv diskutiert („holozänes Temperaturrätsel“). Es war nicht klar, ob diese Diskrepanzen eher den Proxy-Rekonstruktionen oder den Klimamodellen ursächlich zuzuordnen sind. Dem aktuellen Stand der Forschung zufolge liegt die Ursache vor allem darin begründet, dass bisherige Proxy-Rekonstruktionen oft eher saisonale als jährliche Mitteltemperaturen widerspiegeln und deshalb nicht direkt mit Modellsimulationen der Jahres-Mitteltemperatur verglichen werden können.
Die Bedeutung der Klimarekonstruktion für die Abschätzung der Zukunft ist sehr groß: Ein genaues Verständnis darüber, mit welcher Sensitivität das Klima auf die natürlichen Klimaantriebe der letzten beide Jahrtausende reagiert hat, ermöglicht eine Verringerung der Unsicherheit, wie stark das Klima auf die anthropogenen Antriebe der Zukunft reagieren wird.
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