31.10.2017
Gletscher heuer extrem stark geschmolzen
Erste Auswertung der von der ZAMG vermessenen Gletscher in den Hohen Tauern: Die Pasterze am Großglockner verlor innerhalb eines Jahres im Mittel zwei Meter an Eisdicke, die kleinen Gletscher am Sonnblick ebenfalls zwei Meter . Die Pasterzenzunge dürfte in den nächsten 40 Jahren völllig verschwinden.
2017 war ein schlechtes Jahr für Österreichs Gletscher. Die von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) regelmäßig vermessenen Gletscher in den Hohen Tauern gingen mit zehn Prozent weniger Schnee aus dem Winter, und schmolzen im heißen Sommer extrem stark.
Bis zu zwei Meter weniger Eisdicke auch am Sonnblick
„Dass die Gletscher schmelzen erleben wir mittlerweile schon jedes Jahr, aber heuer waren die Massenverluste besonders hoch. Denn der Winterschnee war schnell verschwunden, und dann war das Eis über einen sehr langen Zeitraum ungeschützt der Sonnenstrahlung und der Wärme ausgesetzt", sagt ZAMG-Gletscherexperte Bernhard Hynek. „Bei den Gletschern der Sonnblickgruppe hat das Goldbergkees heuer im Mittel 2,1 Meter Eisdicke verloren, das Kleinfleißkees 1,9 Meter. Die Werte an den Eispegeln liegen dabei im Mittel genauso hoch wie in den Rekordjahren 2003 und 2012. Die Prognose des Weltklimarats IPCC, dass bis zum Jahr 2100 rund 80 Prozent der Gletscherfläche in den Alpen verschwunden sein wird, kann man an den drei Gletschern in den Hohen Tauern derzeit gut nachvollziehen."
Pasterze zieht sich extrem schnell zurück
Die markante Gletscherzunge der Pasterze zerfiel auch heuer immer mehr, wie an den zahlreichen Gletscherspalten und -brüchen deutlich zu erkennen ist. „Der untere Bereich der Pasterze reicht bis rund 2100 Meter Seehöhe. Hier ist es mittlerweile so warm, dass der Gletscher im schuttfreien Bereich jedes Jahr rund zehn Meter an Eisdicke verliert. Egal, ob der Sommer auf den Bergen eher kühl oder warm ist", so Hynek. „Wenn Besucher der Großglockner-Alpenstraße nach zehn Jahren wiederkommen, ist der schuttfreie Gletscherteil bereits 100 Meter weiter unten und über einen Kilometer weiter hinten im Tal."
Warme Bäche verstärken Schmelze
Zusätzlich zur oberflächlichen Eisschmelze schmelzen die Gletscher auch von der Unterseite her. Dazu Gletscherexperte Hynek: „Wenn Regenwasser oder Schmelzwasser über von der Sonne angestrahlte Felsen rinnt, erwärmt es sich sehr stark. Fließt es anschließend wieder in den Gletscher ein oder unter dem Eis durch, schmilzt es den Gletscher von innen beziehungsweise von der Basis her. Einige Einbruchzonen an der Pasterze und am Goldbergkees zeigen diesen Effekt deutlich. Kombiniert mit der oberflächlichen Schmelze entstehen so Absinkbeträge der Eisoberfläche von bis zu 20 Metern pro Jahr in diesen kleinräumigen Bereichen."
Exakte Messmethoden bis in den Zentimeterbereich
Die flächenhafte Messung der Absinkbeträge an der Pasterzenzunge wird ständig genauer. Für die Messungen 2017 verwendete die ZAMG in Zusammenarbeit mit dem arktischen Universitätszentrum UNIS und der Firma Snow Scan GmbH erstmalig einen 3D-Laserscanner der österreichischen Firma Riegl Laser Measurement Systems, der speziell für Schnee und Eis optimiert wurde. Damit sind Details bis in den Zentimeterbereich messbar. Durch Vergleichsmessungen von 2015 und 2012 können so die Absinkbeträge an der Pasterzenzunge für die letzten zwei bis fünf Jahre sehr genau berechnet werden.
Pasterzenzunge verschwindet in rund 40 Jahren völlig
Die Auswertungen zeigen, dass die Pasterze in den letzten fünf Jahren im Mittel 25 Meter an Eisdicke verloren hat. Das entspricht einer mittleren Eisdickenabnahme von fünf Metern pro Jahr. Im vorderen Bereich waren es teilweise über 60 Meter, im hinteren Bereich um die 20 Meter und im schuttbedeckten Bereich je nach Dicke der Schuttschicht 5 bis 20 Meter. Als Folge der hohen Einsinkbeträge hat sich auch der schuttfreie Gletscherteil seit 2012 um eine Länge von 600 Metern zurückgezogen.
Den mittleren Einsinkbeträgen von fünf Meter pro Jahr steht eine mittlere Eisdicke von ca. 100 Metern gegenüber, mit maximalen Eisdicken von derzeit noch 230 Metern. „Die Kombination von Eisdicken- , Ablationsmessungen und Computersimulationen erlaubt mittlerweile eine sehr gute Prognose über die Entwicklung der Pasterze" ,sagt ZAMG-Experte Bernhard Hynek. „Da die maximale Eisdicke derzeit bei nur noch rund 230 Meter liegt, kann man davon ausgehen, dass die Pasterzenzunge schon in 40 Jahren weitgehend verschwunden sein wird."
Massenverluste auf den ZAMG-Webcams sichtbar
Die starken Massenverluste aus diesem Jahr sind auch an den von der ZAMG installierten automatischen Kameras sichtbar. Kleine Gletscher, wie das Goldbergkees sind im heurigen Sommer vollständig ausgeapert. Bis über 3000 Meter Seehöhe ist die Winterschneedecke völlig abgeschmolzen. Auf der Pasterze ist die Eisschmelze bis in Höhenlagen von über 3500 Metern vorgedrungen.
Zeitlicher Verlauf der Schnee- und Eisschmelze 2017
Auf beiden Gletschern betreibt die ZAMG automatische Wetterstationen, die auch die Schnee- und Eisschmelze kontinuierlich messen. An der Station am Goldbergkees (2625m) fielen im letzten Winter 2,8 Meter Schnee, die bis zum 4. Juli wieder weggeschmolzen waren. In den zwei folgenden Monaten ist an der Station eine Eismächtigkeit von 3,7 Metern abgeschmolzen, bis Anfang September der erste Schnee des Winters wieder das Eis bedeckte. An der ZAMG-Station auf der Pasterze fiel im heurigen Winter nur knapp ein Meter Schnee, der schon am 27. Mai völlig weggeschmolzen war. Durch die lange Ablationsperiode bis Mitte September ist hier auf 2200 Metern eine Eisdicke von 7,2 Metern abgeschmolzen.
Global Cryosphere Watch: Gletscher und Schneedeckenmonitoring
Das Gletschermonitoring der ZAMG in der Sonnblickregion und an der Pasterze wird im Rahmen des Projektes Global „Cryosphere Watch - Gletscher und Schneedeckenmonitoring Sonnblick" vom Lebensministerium (BMLFUW) gefördert. die Ergebnisse fließen in internationale Netzwerke ein, wie in das World Glacier Monitoring Service. Der Aufbau eines automatischen Messnetzes in Form von automatischen Kameras und Wetterstationen auf den Gletschern wird gemeinsam mit der Universität Graz und dem TGM Wien im Rahmen des Sparkling Science Projektes Glacio-Live durchgeführt und vom Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) gefördert. Die Messungen auf der Pasterze werden zudem von der Großglockner-Hochalpenstraßen AG, dem Land Kärnten und der Verbund Hydro Power AG unterstützt.
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Die von der ZAMG beobachteten Gletscher in den Hohen Tauern Ende des Sommers am 31.August 2017: Oben die Pasterze von zwei unterschiedlichen Positionen fotografiert. Unten das Kleinfleißkees (links) und das Goldbergkees am Sonnblick. Die kleinen Gletscher sind völlig schneefrei, nur die Pasterze hat in Bereichen über 3000m noch wenige Schneerücklagen vom Winter. Quelle: ZAMG. –>zum Bild in Originalgröße
Österreichs größter Gletscher zerfällt: Die Pasterze am 31. August 2017. Im Bereich der Gletscherzunge im Vordergrund schmolz die Eisdicke in nur vier Monaten um fünf bis zehn Meter. Wo das Eis mit Schutt bedeckt ist, schmilzt weniger, da der Schutt die Strahlung abschattet. Quelle: ZAMG. –>zum Bild in Originalgröße
Die Wetterstation der ZAMG auf der Pasterze: Zusätzlich zu den meteorologischen Parametern wird auch die Schneehöhe und die Eisabschmelzung gemessen. Quelle: ZAMG/Weyss –>zum Bild in Originalgröße
Schnee- und Eismessung an den Messstationen Goldbergkees (blau) und Pasterze (rot): Am Goldbergkees (2625m Seehöhe) fiel unter anderem wegen der Höhenlage mehr Schnee als auf der Pasterze (2200m Seehöhe). Je früher die Schneedecke verschwindet, desto stäker schmilzt das Eis. Am Messpunkt der Pasterze schmolz die Eisdicke im Sommer daher um sieben Meter. Die Eisdicke am Goldbergkees ging um drei Meter zurück. Quelle: ZAMG. –>zum Bild in Originalgröße
Flächendeckende Analyse der Eisdicke an der Pasterzenzunge im Jahr 2017: Mittels terrestrischer Photogrammetrie und/oder Laser Scanning wird regelmäßig ein Höhenmodell der Pasterzenzunge erstellt und die Höhenänderung der Gletscheroberfläche bestimmt. Quelle: ZAMG, KAGIS. –>zum Bild in Originalgröße
Eisdickenänderung an der Pasterzenzunge in den letzten fünf Jahren (2012-2017) : Im Mittel ging die Eisdicke um 25 Meter zurück. Die Extremwerte liegen bei 60 Meter weniger Eisdicke in den letzten fünf Jahren. Die gesamte Gletscherzunge der Pasterze könnte in 40 Jahrne völlig verschwunden sein. Quelle: ZAMG, KAGIS. –>zum Bild in Originalgröße
Zeitraffer-Animation des Hufeisenbruches der Pasterze aus Bildern der automatischen Kamera am Kleinen Burgstall: In der Animation wird das Fließen des Gletschers sichtbar, besonders dort, wo der Gletscher relativ schnell fließt, nämlich an den Steilabbrüchen des Hufeisenbruches. Die Animation besteht aus einem Foto pro Tag von Oktober 2015 bis August 2017. Tage ohne Sicht sind ausgenommen.
Der Gletscherbruch mit zwei kleinen Eisströmen links im Bild und einem größeren rechts verbindet das weite Akkumulationsgebiet der Pasterze mit der markanten Gletscherzunge. Der Eisnachschub von oben wird jedes Jahr geringer. Weite Teile des Gletscherbruches sind bereits ausgeapert. Unterhalb des Gletscherbruches werden derzeit Fließgeschwindigkeiten von bis zu 50 Meter pro Jahr gemessen. Im Gletscherbruch ist das Fließen deutlich schneller. Quelle ZAMG.
Youtube-Link: https://youtu.be/5a0ztROZBeQ
Download Video (24MB): –>hier klicken
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Web-Links
Webcam Goldbergkees:www.foto-webcam.eu/webcam/goldbergkees
Webcam Kleinfleißkees: www.foto-webcam.eu/webcam/kleinfleisskees
Webcam Sonnblick (mit Blick auf Fleißscharte, die Grenze zwischen Goldbergkees und Kleinfleißkees): www.foto-webcam.eu/webcam/sonnblick
Webcam Pasterze: www.foto-webcam.eu/webcam/freiwandeck
ZAMG Gletscherforschung: www.zamg.at/cms/de/klima/klimaforschung/glaziologie
World Glacier Monitoring Service: www.wgms.ch
Global Cryosphere Watch: www.globalcryospherewatch.org
ZAMG allgemein: www.zamg.at und www.facebook.com/zamg.at