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12.08.2020

Neues Computermodell zur Untersuchung von Hitze in Städten

Neues Computermodell zur Untersuchung von Hitze in Städten

©ZAMG

Die ZAMG untersucht mit einem neuen, sehr detaillierten Stadtklimamodell die Auswirkungen von Bau- und Begrünungsmaßnahmen auf die Hitze in Städten. Mit dem derzeit in der Testphase befindlichen Computermodell können erstmals gesamte Großstädte wie Wien in einer Auflösung von zehn Meter analysiert werden. Damit werden auch Effekte der Beschattung von einzelnen Gebäuden und großen Bäumen erkennbar.

Stadtklimamodelle sind komplexe Computerprogramme (numerische Modelle), die klimatische Wechselwirkungen und meteorologische Parameter wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Windrichtung und Windgeschwindigkeit in der städtischen Umgebung berechnen. Dabei werden sehr detailliert die Geländeform sowie die Art der Bebauung und der Landnutzung (Grünfläche, Agrarfläche usw.) berücksichtigt.

„Stadtklimamodelle ermöglichen zum Beispiel, besonders heiße Teile von Städten zu identifizieren und zu ermitteln, welche Gegenmaßnahmen hier sehr effizient wirken können“, erklärt Brigitta Hollosi von der Fachabteilung für Stadtmodellierung der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG).

Städtische Hitzeinseln in Wien: Nächte im Sommer 2019 innerstädtisch teils 4 bis 7 Grad wärmer als am Stadtrand

Bebautes Gebiet ist generell wärmer als das unbebaute Umland. Dieser Effekt kann durch extreme Temperaturen verstärkt werden, insbesondere durch lang anhaltende Hitzewellen. Sehr warme Nächte stören die Erholung des menschlichen Körpers im Schlaf und verursachen eine Zunahme von gesundheitlichen Problemen, etwa im Herz-Kreislauf-Bereich. Außerdem gibt es je nach Bebauung auch innerhalb der Stadt deutliche Unterschiede der Temperatur, zum Beispiel bilden sich kleinräumige Hitzeinseln. Durch den veränderten Wärmeaustausch (z.B. die hohe Wärmespeicherung von Gebäuden) sowie die reduzierten Abkühlungseffekte von Vegetation und Luftzirkulation, erwärmt sich die Luft in dicht bebauten Gebieten stärker und hält sich länger. Diese Effekte wirken sich auch in den Nächten sehr deutlich aus.

Ein Beispiel: 2019 gab es in Österreich den zweitwärmsten Sommer der Messgeschichte. In Wien war es dabei tagsüber im innerstädtischen Gebiet durchschnittlich um 0,6 Grad wärmer als am Stadtrand, in den Nächten um 2,7 Grad. In 25 Prozent der Nächte des Sommers 2019 war es im innerstädtischen Gebiet von Wien sogar zwischen 4 und 7 Grad wärmer als am Stadtrand.

Neues Stadtklimamodell für Fragen der Stadtplanung

Die ZAMG untersucht in zahlreichen nationalen und internationalen Projekten den städtischen Wärmeinseleffekt, sowie die Effizienz unterschiedlicher Gegenmaßnahmen und berät die Städte im Bereich Klimaanpassung.

Für Analysen am neuesten Stand der Wissenschaft läuft an der ZAMG derzeit das neue Stadtklimamodell PALM-4U in einer Testphase, entwickelt von deutschen Forschungsinstituten unter der Koordination der Universität Hannover. PALM-4U ermöglicht stadtklimatische Analysen unter anderem zur Unterstützung bei Planungs- und Prüfungsprozessen in der Stadtentwicklung und Stadtplanung, für die Konzeption der Grün- und Freiraumentwicklung im Hinblick auf die Hitzeanfälligkeit, für Fragen der Luftqualität und Schadstoffbelastung, für städtische Klimawandelprojektionen, sowie für die energetische und gesundheitliche Optimierung von Gebäuden.

Adaption für Anforderungen von österreichischen Städten

In der Entwicklungsphase bestand durch eine Zusammenarbeit von ZAMG und Hewlett Packard Enterprise (HPE) die Möglichkeit die Modellleistung von PALM-4U zu überprüfen und an einem Supercomputer mit sehr hoher Rechenkapazität eine idealisierte Testsimulation für Wien mit zehn Meter horizontaler und vertikaler Auflösung durchzuführen. Dabei wurden sehr feine Strukturen und Details in der Stadt sichtbar, wie zum Beispiel die Auswirkung von Beschattungseffekten durch Gebäude oder Bäume.

In weiterer Folge wird das Modell für die meteorologischen Besonderheiten österreichischer Städte und die Anforderungen von Bedarfsträgern adaptiert.

Die Nachfrage nach der Bereitstellung präziser und räumlich hochaufgelöster Klimainformationen steigt kontinuierlich. „Bisher gab es allerdings kein Stadtklimamodell, welches ganze Großstädte – sofern es Rechnerressourcen zulassen – auf einer hohen räumlichen Auflösung, turbulenzauflösend abbilden konnte. Die Besonderheit des neuen Modells liegt außerdem in der thematischen Komplexität“, sagt Brigitta Hollosi von der ZAMG.

Citizen Weather Stations: Einbindung neuer Datenquellen

Für eine optimale Nutzung erfordert das Modell auch neue Quellen von Messdaten, die an der ZAMG derzeit geprüft werden. „Um die Güte der Ergebnisse beurteilen zu können, werden Modellergebnisse laufend mit Beobachtungsdaten verglichen. Diese stehen in dicht bebauten Gebieten aber oft nur sehr eingeschränkt zur Verfügung, etwa durch offizielle Wetterstationen oder zum Beispiel durch Satellitendaten“, erklärt Stadtklimaforscherin Hollosi, „internationale und ZAMG-interne Untersuchungen haben gezeigt, dass hier ergänzende Lufttemperaturmessungen aus crowd-sourcing Datenquellen nach einer effizient prozessierten Aufbereitung verwendet werden können.“

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Bilder

(bei Nennung der Quelle kostenlos nutzbar)

Computersimulation zeigt kleinräumige Unterschiede der Temperatur in Wien: Die Darstellung zeigt das Ergebnis einer Testsimulation mit dem neuen Stadtklimamodell PALM-4U. Dargestellt ist die Oberflächentemperatur in Wien für einen idealisierten Sommertag am 21. Juli um 9 Uhr, entstanden im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen ZAMG und dem Unternehmen HPE. Über die Wiener Stadtgrenze hinaus wurden bebaute Flächen als versiegelte Flächen berücksichtigt. Quelle: ZAMG –>zur vollen Auflösung

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Web-Links

ZAMG Broschüre Stadtmodellierung: –> Dowload PDF (10 MB)

ZAMG Stadtklimaprojekte: www.zamg.ac.at/cms/de/klima/news/wie-man-hitze-in-staedten-vermindern-kann

Fördermaßnahme Stadtklima im Wandel: www.uc2-program.org

Publikation: Feichtinger et al. 2020: Case-study of neighborhood-scale summertime urban air temperature for the City of Vienna using crowd-sourced data: www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S221209551930286X?via%3Dihub
Datenquelle: Stadt Wien - https://data.wien.gv.at

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