20.11.2017
Winter in Österreich: Vergangenheit und Zukunft
Im Projekt SNOWPAT führten die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) und die Universität Graz die bisher umfassendste Untersuchung zur Entwicklung der Schneelage in Österreich durch. Eines der Ergebnisse: Seit 1950 haben die Schneehöhen und die Dauer der Schneebedeckung in den meisten Regionen abgenommen. Dieser langfristige Trend ist von starken Schwankungen und kurzen Trends überlagert, die von Winter zu Winter oder teils sogar bis zu 20 Jahre dauern können . Allgemeine Vorhersagen für den Wintersport der nächsten Jahre sind daher kaum machbar. Hier sind Detailanalysen je nach Lage und Seehöhe eines Schigebietes notwendig. Langfristig ist zu erwarten, dass in einem immer wärmeren Klima die Zahl der Tage mit Schneedecke und die Schneehöhen weiter abnehmen. Das gilt besonders für tiefe und mittlere Höhenlagen, da es hier durch die Klimaerwärmung immer öfter regne n statt schneien wird beziehungsweise gefallener Schnee schneller wieder schmelzen wird.
Das Thema Schneelage gehört zu den komplexesten Bereichen der Klimaforschung in den Alpen. „Die Schneelage ist im Alpenraum von Region zu Region sehr unterschiedlich, und die Schneemengen schwanken selbst über mehrere Jahre extrem. Außerdem sind die Schneemessreihen im Vergleich zur Temperaturmessung relativ kurz. Daher ist es schwierig langfristige Trends herauszuarbeiten", sagt Klimaforscher Marc Olefs von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). „Ein Ziel des Projekts SNOWPAT von ZAMG und Uni Graz war daher unter anderem, die Schneelage in Österreich so detailliert zu untersuchen, dass kurzfristige, mittelfristige und langfristige Trends für die einzelnen Regionen klar unterschieden werden können. Ein Ergebnis daraus: Die langfristigen Trends, in Zeiträumen über etwa 50 Jahren, zeigen im Großteil Österreichs einen Rückgang der Schneemenge und der Tage mit Schneedecke."
Auswirkungen auf Tourismus
Eine allgemeine Aussage für den Schitourismus der nächsten Jahre lässt sich aus den Untersuchungen nicht ableiten, so Schneeexperte Olefs. „Die Schwankungen der Schneelage sind selbst über mehrere Jahre sehr groß. Auf einige schneearme Winter können durchaus einige sehr schneereiche Winter folgen. Außerdem wirkt sich die Klimaerwärmung je nach Lage und Seehöhe der Schigebiete sehr unterschiedlich aus. Für manche Regionen ist es jetzt schon schwierig, andere sind durch Höhenlage und Kunstschnee dagegen relativ schneesicher. Langfristig ist aber zu erwarten, dass sich Trends zu weniger Schnee in einem immer wärmeren Klima fortsetzen. Für eine langfristige Planung sollte man diese Entwicklung also auf jeden Fall berücksichtigen. Da ist es sicher sinnvoll, wenn sich die Fachleute aus unterschiedlichen Bereichen, wie Tourismus, Beschneiungstechnik und Klimaforschung, zusammensetzen und die einzelnen Faktoren für den jeweiligen Standort abwägen."
Ergebnisse der neuesten Schneestudie
Einige Ergebnisse der Studie SNOWPAT und darauf aufbauender Untersuchungen: Für den Zeitraum 1950 bis 2017 wurden Schneemessreihen von 15 Standorten ausgewertet, die für die jeweiligen Regionen repräsentativ sind. An 12 der 15 Messorte zeigte sich über den gesamten Zeitraum eine signifikante Abnahme der mittleren und maximalen Schneehöhen sowie der Schneedeckendauer. Das gilt für alle Höhenlagen und alle Regionen mit Ausnahme der Region Nordost (Ober- und Niederösterreich sowie Teile des Burgenlands), da hier der Niederschlag aufgrund vermehrter Nord- und Nordwestwetterlagen im Zeitraum von 1995 bis 2005 zugenommen hat. Dieser langfristig abnehmende Trend wird größtenteils durch eine sprunghafte Abnahme der Schneedecke am Ende der 1980er Jahre ausgelöst, der als sprunghafte Erwärmung auch in den Zeitreihen der Wintertemperaturen zu sehen ist.
Seriöse Trendaussagen nur mit Zeitreihen ab etwa 50 Jahren möglich
Der langfristig abnehmende Trend ist von starken Schwankungen überlagert, die bis zu etwa 20 Jahre dauern. Im Bereich dieser Schwankungen kommt es zum Teil auch zu einer Zunahme von Schnee oder zu ganz extremen Abnahmen. So zeigen zum Beispiel fast alle Stationen eine massive Abnahme der Schneehöhe und Schneedeckendauer in den letzten drei Wintern, also von 2014/15 bis 2016/17. „Wegen dieser starken natürlichen Schwankungen sind Aussagen über Schneetrends nur mit Zeitreihen ab etwa 50 Jahren sinnvoll", sagt ZAMG-Klimaforscher Olefs, „nur so lassen sich die natürlichen Schwankungen von den langfristigen Änderungen unterscheiden, die durch die vom Menschen beeinflussten Klimaerwärmung entstehen."
Selbst kleinräumig teils große Unterschiede
Wie komplex die Entwicklungen in den unterschiedlichen Zeiträumen, Regionen und Höhenlagen sein kann, erläutert Olefs anhand der Zahlen der Messstationen am Arlberg: „Für Lech am Arlberg findet sich kein signifikant abnehmender Trend über den Gesamtzeitraum 1950 bis 2017. An der Messstation St. Anton am Arlberg ist ein langfristig abnehmender Trend nur bei der maximalen Schneehöhe und der Schneedeckendauer zu sehen, nicht aber bei der mittleren Schneehöhe. Andere Stationen am Arlberg, wie Langen und Zürs, zeigen hingegen auch für die mittlere Gesamtschneehöhe eine signifikante langfristige Abnahme."
Langfristig weniger Schnee in tiefen und mittleren Lagen
Vorhersagen für die zukünftige Entwicklung der Schneelage sind vor allem in Höhenlagen sinnvoll, in denen ein direkter Zusammenhang mit der Temperatur besteht. Denn die Temperatur gilt als zuverlässigster Parameter der Klimamodelle, die eine weitere Erwärmung des Alpenraumes bis Mitte/Ende des Jahrhunderts erwarten lassen. Da insbesondere in Höhenlagen unter etwa 1000 bis 1500 Meter ein starker Zusammenhang zwischen Temperatur und Schneedecke besteht, ist davon auszugehen, dass langfristig die Schneedecke in tiefen und mittleren Lagen weiter abnehmen wird. Denn hier wird es in Zukunft immer öfter regnen statt schneien, und gefallener Schnee schmilzt schneller wieder. „Im Hochgebirge ist es im Winter hingegen ohnehin meistens kalt genug für Schneefall. Hier hängt die Schneelage daher mehr vom Niederschlag ab und damit von den Wetterlagen", sagt ZAMG-Experte Marc Olefs, „Zukunftsszenarien von Klimamodellen zeigen tendenziell mehr Niederschlag im Winter, was im Hochgebirge sogar zu mehr Schnee führen könnte. Diese Niederschlagsszenarien sind aber mit sehr großen Unsicherheiten behaftet."
Erwärmung als Antrieb für Schneeabnahme
Auch die Temperatur, für die es deutlich längere Messreihen gibt als für Schnee, hat sich in den letzten Jahrzehnten im Alpenraum geändert, zum Teil deutlich. Hier einige aktuelle Fakten:
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Die Winter-Temperatur in Österreich liegt in den letzten Jahren am höchsten Niveau der rund 250-jährigen Messgeschichte.
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Seit den 1930er-Jahren wurden die Winter im Durchschnitt um etwa 0,25 Grad pro Jahrzehnt wärmer. Die sehr kalten Winter wurden deutlich seltener und die sehr milden Winter deutlich häufiger.
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In den Niederungen kamen die vier wärmsten Winter der Messgeschichte in den letzten 20 Jahren vor. Auf den Bergen gab es in den letzten 30 Jahren die sieben wärmsten Winter der Messgeschichte.
- Seit 1964 kam im Tiefland kein einziger Winter unter die 50 kältesten Winter der Messgeschichte. Auf den Bergen kamen seit 1964 nur die Winter 2011/12, 1984/85, 1980/81 unter die 50 kältesten der Messgeschichte.
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Der deutliche langfristige Temperaturanstieg ist an allen Messstationen von markanten Schwankungen überlagert, wie zum Beispiel starken Temperaturunterschieden von Winter zu Winter und Temperaturrückgängen für Zeiträume von 20 bis 30 Jahren.
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Für die Zukunft lassen regionale Klimamodelle eine weitere Erwärmung im Winter in Österreich erwarten. Die Winter-Mitteltemperatur liegt demnach in der nahen Zukunft (2021-2050) um 1,5 °C höher als das Mittel der Klimaperiode 1971-2000 und in der fernen Zukunft (2071-2100) je nach Szenario der Emissionen rund 2,4 °C (Klimaschutzszenario) bis 4,4 °C (business-as-usual-Szenario) höher als im Mittel 1971-2000).
Die relativ große Bandbreite für die ferne Zukunft zeigt einerseits deutlich den Einfluss der menschlichen Aktivitäten auf das Klima, anderseits auch die Notwendigkeit von effektiven Maßnahmen zum Klimaschutz.
Eine ausführliche Analyse der Wintertemperatur in Österreich in den letzten Jahrzehnten finden Sie hier: ->Download pdf
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Schneedeckendauer: Es gibt große kurz- und mittelfristige Schwankungen. Langfristig geht die Zahl der Tage mit Schneedecke in allen Höhenlagen zurück (Ausnahme Nordostösterreich). Dargestellt ist die Schneedeckendauer (Anzahl der Tage mit Gesamtschneehöhe von mindestens 1cm) an Stationen oberhalb von 1300m Seehöhe (Grafik oben), zwischen 800 und 1300 m Seehöhe (Grafik Mitte) und unterhalb 800 m Seehöhe (Grafik unten), für die Jahre 1950 bis 2017 (jeweils Zeitraum November bis April). Die Zeitreihen wurden mit einem Gauß-Tiefpassfilter (11 Jahre Fensterbreite) geglättet. Quelle ZAMG. –>zum Bild in Originalgröße
Schneehöhe: Es gibt große kurz- und mittelfristige Schwankungen. Langfristig geht die Schneehöhe aber in allen Höhenlagen zurück (Ausnahme Nordostösterreich). Dargestellt ist die mittlere Gesamtschneehöhe an Stationen oberhalb von 1300m Seehöhe (Grafik oben), zwischen 800 und 1300 m Seehöhe (Grafik Mitte) und unterhalb 800 m Seehöhe (Grafik unten), für die Jahre 1950 bis 2017 (jeweils Zeitraum November bis April). Die Zeitreihen wurden mit einem Gauß-Tiefpassfilter (11 Jahre Fensterbreite) geglättet. Quelle ZAMG. –>zum Bild in Originalgröße
Wintertemperatur in tiefen Lagen seit 1767: Sehr milde Winter wurden in den letzten Jahrzehnten häufiger, sehr kalte Winter dagegen seltener: Dargestellt ist die Abweichung der Wintertemperatur im Tiefland seit 1767 im Vergleich zum Klimamittel des 20. Jahrhunderts, basierend auf HISTALP-Daten. Die gemittelte Linie (schwarz) zeigt das in den letzten Jahren sehr hohe Temperaturniveau. Der Bereich der normalen statistischen Schwankung ist grau schattiert. Quelle ZAMG. –>zum Bild in Originalgröße
Wintertemperatur in den Gipfelregionen seit 1851: Milde Winter wurden in den letzten Jahrzehnten häufiger, kalte Winter seltener. Dargestellt ist die Abweichung aller Jahre im Vergleich zum Mittel 1901-2000 basierend auf HISTALP-Daten. Die gemittelte Linie (schwarz) zeigt das in den letzten Jahren sehr hohe Temperaturniveau. Der Bereich der normalen statistischen Schwankung ist grau schattiert. Quelle ZAMG. –>zum Bild in Originalgröße
Das Klima am Sonnblick ist deutlich wärmer geworden. In den langfristigen Trend (dicke schwarze Linie) sind Phasen der Abkühlung eingelagert (farbige Linien). Ähnliches gilt für alle Gipfelstationen am Alpenhauptkamm und nördlich davon. Dargestellt sind die Wintertemperaturen der Messstation Sonnblick (3105 m) zwischen 1927/28 und 2016/17 (schwarz, dünne Linie). Lineare Trends über die gesamte Periode (fett, schwarz) und über die 30-jahrigen Teilperioden A, B und C (farbig). Quelle ZAMG. –>zum Bild in Originalgröße
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Web-Links
ZAMG: www.zamg.at und www.facebook.com/zamg.at