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15.04.2021

Neue europäische Zusammenarbeit für regionale Wettervorhersagen

Neue europäische Zusammenarbeit für regionale Wettervorhersagen

©ZAMG

Innerhalb des neuen Konsortiums ACCORD koordinieren 26 Länder aus Europa und Nordafrika die Entwicklung von numerischen Wettermodellen für die regionale Wettervorhersage, um noch genauere Prognosen und Warnungen zu entwickeln.

Diese Woche findet der erste internationale Workshop von ACCORD statt, mit rund 200 Expertinnen und Experten.

Österreichs ZAMG präsentiert dabei neue Möglichkeiten Wetterdaten zu gewinnen, wie etwa mit Hilfe von Richtfunkanlagen oder fahrenden Zügen, sowie Methoden zur besseren Abschätzung des Gefahrenpotenzials von extremen Wetterereignissen.

Wettermodelle sind komplexe mathematisch-physikalische Systeme zur Simulation der Atmosphäre. Damit werden auf Hochleistungscomputern Wettervorhersagen berechnet. Globale Modelle dienen der Vorhersage bis zu etwa zehn Tagen auf einem weltweiten, relativ groben Raster. Die deutlich feiner aufgelösten regionalen Vorhersagemodelle simulieren die kleinräumigen Besonderheiten des Wetters wesentlich detailreicher, brauchen aber entsprechende höhere Rechenressourcen und lassen daher nur Vorhersagen für kleinere Gebiete und für die nächsten Stunden bis zu einigen Tagen zu.

Mehr Daten, mehr Physik, mehr Wechselwirkungen

Die Entwicklung und der Betrieb von Vorhersagemodellen sind sehr aufwändig und kostenintensiv und werden daher meist in einer Zusammenarbeit von mehreren Ländern durchgeführt. Um ihre Ressourcen noch besser einzusetzen starteten heuer 26 Länder aus Europa und Nordafrika das Konsortium ACCORD (Consortium for COnvection-scale modelling Research and Development). Diese Woche findet der erste Workshop statt, online mit rund 200 Expertinnen und Experten. Schwerpunkte sind dabei unter anderem: 1) Die Frage, wie möglichst viele Beobachtungsdaten in die Vorhersagemodelle integriert werden können. 2) Die Verbesserung der Modellphysik, um die Prozesse in der Atmosphäre noch genauer zu simulieren. 3) Die Berücksichtigung von Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre und Erdoberfläche, wie zum Beispiel über die Bodenfeuchte und Bodentemperatur oder die Schnee- und Eisbedeckung. 4) Die Quantifizierung der Unsicherheit der Modellprognosen und deren Interpretation.

Wetterdaten „um´s Eck" ermittelt

Ein Team der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) arbeitet seit vielen Jahren in der Entwicklung von regionalen Vorhersagemodellen für den Alpenraum und präsentiert im derzeit laufenden Workshop neue Methoden, um noch mehr Beobachtungsdaten zu gewinnen. „Zusätzlich zu bestehenden Messungen wie beispielsweise von Wetterstationen, Radar, Satelliten und Flugzeugen ergeben sich durch neue Technologien und leistungsfähigere Computer immer mehr Möglichkeiten, den aktuellen Zustand der Atmosphäre noch genauer zu bestimmen. „Einige davon haben auf den ersten Blick gar nichts mit dem Wetter zu tun," sagt Christoph Wittmann, Leiter der Modellentwicklung an der ZAMG.

Sendeanlagen und fahrende Züge

„Zum Beispiel beeinflussen Luftfeuchte und Niederschlagspartikel die Übertragungsstärke und -geschwindigkeit von elektromagnetischen Signalen in der Atmosphäre. Daher lassen sich aus der Kommunikation zwischen Sendern und Empfängern Rückschlüsse auf den Zustand der Atmosphäre ableiten", erklärt Wittmann. „In diesem Bereich arbeiten wir derzeit in zwei Forschungsprojekten: In Kooperation mit Drei Austria, der FH St. Pölten und dem Hydrografischen Dienst Steiermark entwickeln wir Methoden, meteorologische Daten aus der Abschwächung von Richtfunksignalen zwischen Sendeanlagen abzuleiten. In einem weiteren Projekt gemeinsam mit der Technischen Universität Wien untersuchen wir die Möglichkeit, aus der Laufzeitverzögerung von Signalen zwischen fahrenden Zügen und Navigationssatelliten auf den Feuchtegehalt in der Atmosphäre zu schließen."

Wahrscheinlichkeiten für extremes Wetter

Ein weiterer Bereich, den das ZAMG-Team beim derzeit laufenden ersten internationalen Workshop von ACCORD präsentiert, sind neue Entwicklungen bei sogenannten Ensembleprognosen. Dabei werden mehrere Vorhersagen mit jeweils leicht geänderten Anfangsbedingungen berechnet. Die Ergebnisse zeigen zum Beispiel für Wetterereignisse die wahrscheinlichsten und die im Extremfall möglichen Szenarien. „Für viele Anwendungen ist neben dem wahrscheinlichsten Wetterverlauf auch wichtig zu wissen, was im Extremfall in der aktuellen Wetterlage passieren könnte", sagt ZAMG-Experte Christoph Wittmann. „Zum Beispiel ist für Landeswarnzentralen und Feuerwehren neben der Information ´in den nächsten 24 Stunden sind 100 Millimeter Regen zu erwarten ´auch der Zusatz ´mit zehn Prozent Wahrscheinlichkeit können es bis zu 200 Millimeter sein´ wichtig. So können die nötigen Ressourcen für die bevorstehenden Einsätze rechtzeitig und effizient geplant werden."

Die regionalen Vorhersagemodelle der ZAMG

Am Hochleistungsrechner der ZAMG laufen derzeit folgende regionale Vorhersagemodelle im operationellen Betrieb, um Vorhersagen und Warnungen in unterschiedlichen Vorhersagezeiträumen möglichst kleinräumig zu berechnen:

AROME-Aut: Horizontale Auflösung 2,5 Kilometer und 90 Schichten in der Vertikalen. Wird alle drei Stunden neu gerechnet und liefert Vorhersagen für den erweiterten Alpenraum für die nächsten 60 Stunden.

C-LAEF (Convection-permitting Limited Area Ensemble Forecasting): Liefert vier Mal am Tag Ensembleprognosen basierend auf AROME-Aut, um die mögliche Bandbreite der Vorhersagen abzuschätzen.

AROME-RUC (Rapid Update Cycle): Ermöglicht in einer horizontalen Auflösung von 1,2 Kilometer und 90 Schichten in der Vertikalen Wettervorhersagen für die nächsten zwölf Stunden für Österreich und Umgebung. Wird jede Stunde neu berechnet.

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Weitere Informationen

Erklärvideo zum Thema Vorhersagemodelle anlässlich der Gründung von ACCORD (englisch): https://youtu.be/7GEzev8-zvk

Bilder

(bei Nennung der Quelle kostenlos nutzbar)

Der Hochleistungsrechner der ZAMG für Wettervorhersage, Krisenmanagement und Klimaforschung: Außen ein Bild vom 3100 Meter hoch gelegenen Sonnblick-Observatorium der ZAMG, im Inneren eine Rechenleistung bis zu 550 Billionen Rechenoperationen pro Sekunde. Quelle: ZAMG. –>zum Download in voller Auflösung

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